18.09.2020

993. Bundesratssitzung vom 18. September 2020

Wichtigste Themen: Arbeitsschutz Fleischbranche + Radioaktive Abfälle + Entlastung Kommunen + AAÜG + Intensivpflege + Gafferfotos und Upskirting + Insolvenzrecht + Familienentlastung + Wohneigentumsrecht + Investitionsbeschleunigung + Bußgeldkatalog + Benennungen

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 993. Sitzung des Bundesrates:

Der Bundesrat hat im ersten Durchgang zum Arbeitsschutzkontrollgesetz Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in Teilen unterstützt.

Durch Einführung einer Mindestbesichtigungsquote im Arbeitsschutzgesetz soll die seit vielen Jahren abnehmende Kontrolldichte im Arbeitsschutz gestoppt und schrittweise eine deutliche Steigerung bei den Betriebsbesichtigungen erreicht werden.

Das Gesetz dient zudem der Umsetzung der vom Bundeskabinett am 20. Mai 2020 beschlossenen Eckpunkte für ein »Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft«. In einer Reihe von Betrieben der Fleischwirtschaft sind gravierende Verstöße gegen arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Regelungen festgestellt worden. Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten und das Gebot einer menschengerechten Gestaltung der Arbeit wurden zum Teil grob missachtet. Das betraf Missstände sowohl in den Betrieben selbst, als auch in bereitgestellten Unterkünften.

Durch Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Arbeitnehmerrechten in der Fleischindustrie (GSA Fleisch) wird der Einsatz von Fremdpersonal im Bereich des Kerngeschäfts Schlachten, Zerlegen und Verarbeiten von Fleisch verboten und damit der missbräuchliche Einsatz von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie unterbunden. Von dem Verbot ausgenommen sind Unternehmen des Fleischerhandwerks. Als Fleischerhandwerk werden mittels gesetzlicher Definition (§ 2 Absatz 2 – neu GSA Fleisch) Unternehmen der Fleischwirtschaft beschrieben, in denen in der Regel nicht mehr als 49 Personen beschäftigt werden und der Unternehmer in der Handwerksrolle eingetragen ist.

Darüber hinaus wird die Pflicht zur Aufzeichnung und Aufbewahrung der geleisteten Arbeitszeit im Bereich der Fleischindustrie verschärft, auch, um die Umgehung der Zahlung von Mindestlöhnen zu verhindern. Die Prüfung der Einhaltung der bußgeldbewehrten Regelung wird den Behörden der Zollverwaltung übertragen. Mit weiteren Änderungen in der Arbeitsstätten-Verordnung werden Mindestanforderungen an die Bereitstellung von Gemeinschaftsunterkünften festgelegt. Diese Regelungen gelten branchenübergreifend und betreffen insbesondere Beschäftigte, die im Ausland angeworben worden sind.

Der Bundesrat sieht verschärfende gesetzgeberische Maßnahmen ebenso wie die Bundesregierung als notwendig an. Eine zunächst freiwillige Selbstverpflichtung in der Fleischindustrie und nachfolgend »mildere« gesetzliche Maßnahmen wie das GSA Fleisch von 2017 hatten keine Abhilfe gebracht. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf unter anderem betont, dass die Arbeitszeitaufzeichnungen manipulationssicher erfolgen müssen und die Betretungs- und Prüfrechte der Aufsichtsbehörden neben den Betriebsräumen auch die Unterkünfte umfassen müssen.

Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf zur atomrechtlichen Entsorgung Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme unterstützt und zwei Plenaranträge gestellt.

Ziel des Gesetzentwurfes mit dem sperrigen Titel »Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Kostenvorschriften im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle sowie zur Änderung weiterer Vorschriften« ist es, die Regelungen zum Verfahren der Kostenbescheide nach dem Standortauswahlgesetz (StandAG) und nach der Endlagervorausleistungsverordnung (EntlagerVlV) zu vereinheitlichen. Damit soll Verwaltungsaufwand abgebaut werden.

Zudem wird mit dem Gesetzentwurf der § 21 StandAG angepasst. Mit dieser Anpassung werden Gebiete gegen Schädigungen durch unterirdische Vorhaben für eine gewisse Zeit gesichert, die günstige geologische Formationen für eine sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle vorweisen. Die bisher geltende zeitliche Beschränkung der Standortsicherung soll erst nach der gesetzlichen Festlegung der übertägig zu erkundenden Standortregionen entfallen, da sich das bisherige Verfahren bewährt hat. In diesem Zusammenhang soll dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) ermöglicht werden, auch Vorhaben in Teufen von mehr als 100 Metern darauf zu prüfen, ob sie Gebiete, die günstige geologische Voraussetzungen für eine sichere Endlagerung hochradioaktiver Abfälle erwarten lassen, schädigen können.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht zudem vor, den Vollzug der Standortsicherung langfristig den Ländern aufzuerlegen. Ein von Sachsen gestellter Plenarantrag hat das Ziel, diese seitens der Bundesregierung vorgesehene Änderung abzuwenden, da Anhörungs-, Klage- und Entschädigungsrechte für die Betroffenen lediglich zur Verfügung stehen, wenn das BASE die Standortsicherung vollzieht. Mit einem weiteren Plenarantrag Sachsens soll ein Entschädigungsanspruch für Nutzungseinschränkungen aufgrund des StandAG bereits ab 1. Januar 2021 entstehen und nicht erst nach einer Wartezeit von fünf Jahren und unabhängig davon, wer den Bescheid erstellt hat, der die Nutzungsbeschränkungen begründet. Die Anträge fanden im Plenum keine Mehrheit.

Weitere Änderungen technischer Natur betreffen das Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) sowie das Atomgesetz.

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Sachsens der Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104a und 143h) und dem »Gesetz zur finanziellen Entlastung der Kommunen und der neuen Länder« zugestimmt.

Die Covid19-Pandemie verschlechtert kurzfristig und unmittelbar die Finanzlage der Gemeinden und Gemeindeverbände. Zur Verbesserung der kommunalen Finanzsituation gewährt der Bund allen Gemeinden für die im Jahr 2020 zu erwartenden Gewerbesteuermindereinnahmen zu gleichen Teilen mit dem jeweiligen Land einen pauschalen Ausgleich auf Basis von Artikel 143h des Grundgesetzes. Hierzu erhalten die Länder aus dem Bundeshaushalt einen Betrag in Höhe von insgesamt 6,134 Milliarden Euro. Der Betrag enthält die Wirkungen der erwarteten Gewerbesteuermindereinnahmen auf die Bundesergänzungszuweisungen. Außerdem wird der Bund dauerhaft weitere 25 Prozent und insgesamt bis zu 74 Prozent der Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende übernehmen. Für beide Maßnahmen ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig.

Für Kosten aus den Zusatzversorgungssystemen der DDR (AAÜG) stockt der Bund seinen Anteil von derzeit 40 % ab dem 1.1.2021 auf 50 % auf. Dies entlastet die neuen Länder allein im Jahr 2021 um rd. 350 Mio. €. Da nur die neuen Länder einen Anteil an den AAÜG tragend, schränkt dies ihre Möglichkeiten bei der notwendigen Unterstützung ihrer Gemeinden und Gemeindeverbände ein.

Gemeinsam mit anderen neuen Ländern hat der Freistaat Sachsen eine Protokollerklärung abgegeben. In dieser fordern sie den Bund auf einen Stufenplan für weitere Entlastungen der neuen Länder bei den AAÜG vorzulegen. Begründet wird dies damit, dass die AAÜG-Lasten in den ostdeutschen Ländern jährlich hohe Haushaltsmittel binden, die die finanzielle Handlungsfähigkeit der ostdeutschen Länder für den weiteren Aufholprozess und zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse vor enorme Herausforderungen stellt, die durch die Bewältigung der COVID-19-Pandemie nochmals verstärkt werden.

Der noch vor der parlamentarischen Sommerpause gefasste Beschluss des Deutschen Bundestages zu einem Gesetz, das die Versorgung von Intensiv-Pflegebedürftigen verbessern helfen will, passierte an diesem Freitag mit den Stimmen Sachsens auch den Bundesrat.  

Ziel des Gesetzes ist es, Menschen mit intensivpflegerischem Bedarf besser zu versorgen und die Selbstbestimmung der Betroffenen zu stärken. Gleichzeitig soll nicht gewünschten Entwicklungen begegnet werden. Steigende Patientenzahlen in der außerklinischen Intensiv-Pflege und ein zunehmender Missbrauch bei Abrechnungen, etwa durch dubiose Pflegeanbieter, sind der Grund für die gesetzlichen Änderungen.

Die Betreuung zu Hause bleibt unter wesentlichen Qualitätsvorgaben möglich: Besonders qualifizierte Ärztinnen und Ärzte dürfen nur noch die außerklinische Intensivpflege anordnen. Zudem müssen die ambulanten Pflegedienste besser mit den Fachärzten zusammenarbeiten. Die Medizinischen Dienste überprüfen die Qualität der Versorgung durch eine persönliche Begutachtung vor Ort. Soweit eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung notwendig wird, soll diese nicht mehr an finanziellen Gründen scheitern. Vielmehr werden die Intensiv-Pflegebedürftigen dort zukünftig in größerem Umfang von der Zahlung eines Eigenanteils befreit. Zur Motivation für die Pflegeanbieter und die Pflegebedürftigen ist eine neue Regelung gedacht, nach der die Krankenkassen die bisherigen Kosten für die Intensivpflege bei einer Besserung des Gesundheitszustandes für mindestens sechs Monate weiterhin übernehmen (müssen), als freiwillige Satzungsleistung der Krankenkasse auch länger.

Das Gesetz hält zudem Verbesserungen im Rehabilitationsrecht bereit: verordnen Ärzte geriatrische Rehabilitation als medizinisch notwendig, dann können Krankenkassen die Maßnahme nicht mehr ablehnen. Des Weiteren müssen Versicherte zukünftig nur noch die Hälfte der Mehrkosten zahlen, wenn sie sich für eine andere als die zugewiesene Reha-Einrichtung entscheiden – bislang hatten die Versicherten etwaige Mehrkosten dann vollständig zu tragen.

Auch bei der Bezahlung von Pflegekräften in Reha-Einrichtungen soll das Gesetz Verbesserungen bringen. Hierfür entfällt die Grundsummenlohnbindung – damit sind höhere Vergütungen in Einrichtungen möglich. Außerdem gelten tarifvertragliche und kirchliche Arbeitsrechtsregelungen künftig als wirtschaftlich.

Das Gesetz geht auf einen Entwurf der Bundesregierung zurück, der im Laufe des Bundestagsverfahrens umfangreich verändert wurde. Dabei hat der Bundestag auch einige Anregungen des Bundesrates aus dessen Stellungnahme vom 15. Mai 2020 aufgegriffen.

 

Der Freistaat Sachsen hat sich gemeinsam mit den Ländern im Bundesrat für ein Gesetz der Bundesregierung ausgesprochen, das auf die Verbesserung des Persönlichkeitsschutzes bei Bildaufnahmen abzielt. Demnach werden nunmehr nach intensiver Diskussion zwei Strafbarkeitslücken geschlossen.

Vermehrt behindern Schaulustige nach Unfällen Rettungsdienste, indem sie unter Missachtung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen Aufnahmen anfertigen. Das Gesetz stellt nun auch die unbefugte Herstellung und Verbreitung solcher Bildaufnahmen von verstorbenen Personen unter Strafe. Bislang galten solche Aufnahmen lediglich als strafbar, wenn sie von lebenden Personen angefertigt wurden. Dieses von der Bundesregierung aufgegriffene Anliegen geht ursprünglich auf einen erfolgreichen Länderantrag im Bundesrat zurück, den der Freistaat Sachsen unterstützt hatte.

Zudem wird die absichtliche oder wissentliche Herstellung oder Übertragung von Bildaufnahmen des Intimbereichs (etwa Genital, Gesäß oder weibliche Brust) anderer Personen unter Strafe gestellt. Nach derzeitiger Rechtslage werden nur Personen geschützt, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum, wie etwa in einer Umkleidekabine, befinden. Auch dieses Anliegen geht auf einen Mehrländerantrag des Bundesrats zurück, der von Sachsen unterstützt wurde.

Nach der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten wird das Gesetz im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden und damit in Kraft treten.

Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes unterstützt. Hiernach soll für Unternehmen die Insolvenzantragspflicht weiterhin ausgesetzt werden können.

Unternehmen, die nur aufgrund der Corona-Pandemie wirtschaftliche Schwierigkeiten haben oder insolvent geworden sind, sollen ihre Geschäfte trotzdem weiterführen können. So soll auch vermieden werden, dass Unternehmen Insolvenz anmelden müssen, weil bspw. staatliche Hilfen verspätet eintreffen.

Bereits am 27. März dieses Jahres unterstütze Sachsen ein entsprechendes Anliegen. Eine Verlängerung der damals gefundenen Lösungen ist notwendig, da die Regelungen Ende September auslaufen, die Corona-Pandemie aber noch nicht überwunden ist. Hierzu soll die Insolvenzantragspflicht nunmehr ein weiteres Mal bis zum 31. Dezember 2020 verlängert werden.

Die Regelungen sollen jedoch nur noch für Unternehmen gelten, die überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind. Zahlungsunfähige Unternehmen sollen wieder verpflichtet sein, einen Insolvenzantrag zu stellen. Allen anderen Unternehmen wird weitere Zeit eingeräumt, um sämtliche Sanierungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Der Bundesrat hat zu Entwurf der Bundesregierung für ein zweites Familienentlastungsgesetz Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme in Teilen unterstützt.

Kernelemente des Gesetzentwurfes sind zum einen die Erhöhung des Kindergeldes pro Kind ab 1. Januar 2021 um 15 Euro pro Monat und die entsprechende Anpassung der steuerlichen Kinderfreibeträge. Außerdem wird mit der Anhebung des in den Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags die steuerliche Freistellung des Existenzminimums der steuerpflichtigen Bürgerinnen und Bürger ab dem Veranlagungszeitraum 2021 sichergestellt und zum Ausgleich der kalten Progression werden die übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs nach rechts verschoben.

In seiner Stellungnahme begrüßt der Bundesrat den Gesetzentwurf fordert aber, die Bezifferung des Umstellungsaufwands durch das Bundesministerium der Finanzen nachholen zu lassen. Außerdem fordert der Bundesrat, den Höchstbetrag der steuerlichen Begünstigung von Aufwendungen, die in Zusammenhang mit der auswärtigen Unterbringung eines volljährigen Kindes stehen, auf 1.800 Euro zu erhöhen.

Der Gesetzentwurf wird nun mit der Stellungahme des Bundesrates an den Deutschen Bundestag übermittelt. Die Bundesregierung hat die Möglichkeit einer Gegenäußerung.

Der Bundesrat hat zu einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft umfangreich Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der kritischen Stellungnahme unterstützt.

Mit dem Gesetz soll Wirtschaftskriminalität wirksamer bekämpft und das Vertrauen in die Integrität der Wirtschaft gestärkt werden. Hierfür soll mit einem Verbandssanktionengesetz ein eigenes Stammgesetz geschaffen werden. Nach geltender Rechtslage können Verbände (zu diesen gehören auch Unternehmen) lediglich mit einer Geldbuße nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) geahndet werden. Die Verbandsgeldbuße ist hiernach auf zehn Millionen Euro gedeckelt, unabhängig von der Verbandsgröße.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen insbesondere finanzkräftige multinationale Konzerne bei Verbandsstraftaten schärfer sanktioniert werden. Hiernach soll sich die Höhe der Verbandsgeldsanktion nach dem Jahresumsatz des Verbandes bemessen. Bei einem Verband mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro kann die Geldsanktion bspw. bis zu 10 Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes ausmachen.

Darüber hinaus sollen aber auch Compliance-Maßnahmen gefördert werden und Anreize für eine Beteiligung der Unternehmen an internen Untersuchungen geschaffen werden. Zudem sollen Staatsanwälte durch die Einführung des sogenannten Legalitätsprinzips verpflichtet werden, ein Verfahren einzuleiten, sobald sie Kenntnis von einer Verbandsstraftat erlangt haben.

Bereits während der Ausschussbefassungen im Bundesrat wurde massive Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung laut. Sowohl der Rechtsausschuss, als auch der Wirtschaftsausschuss sahen schwere Mängel im vorliegenden Entwurf. Die Ausschussempfehlungen gingen in der Folge bis zu einer Ablehnung des Gesetzentwurfes insgesamt. Insbesondere die Einführung des Legalitätsprinzips stieß auf massive Kritik bei den Ländern, die diese in ihrer Stellungnahme zum Ausdruck bringen. Die Länder befürchten eine Überlastung der Staatsanwaltschaften und Gerichte und damit im Ergebnis eine Blockade der knappen Ressource der Justiz.

Der Gesetzentwurf wird nun mit der Stellungahme des Bundesrates an den Deutschen Bundestag übermittelt. Die Bundesregierung hat hierbei die Möglichkeit einer Gegenäußerung. Derzeit sind die drei Lesungen des Bundestags für Oktober und November dieses Jahres geplant, ehe der Bundesrat sich am 18. Dezember abschließend mit dem Gesetz befassen soll. Es handelt sich dabei um ein Zustimmungsgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

Der Bundesrat hat sich erstmals mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen befasst und eine umfangreiche Stellungnahme beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf werden die Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 8. März 2020 zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren in den Bereichen Verkehr und digitale Infrastruktur in Teilen umgesetzt.

Der Gesetzentwurf sieht eine Reihe von beschleunigenden Maßnahmen vor, wozu unter anderem Vereinfachungen im Raumordnungsrecht und bei der Genehmigung der Elektrifizierung von Schienenstrecken sowie Maßnahmen zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren gehören.

Durch eine Verkürzung des Instanzenzuges ist geplant, die Gesamtdauer der verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu reduzieren. Dazu soll die Eingangszuständigkeit für Streitigkeiten, die bestimmte Infrastrukturvorhaben zum Gegenstand haben, vom Verwaltungsgericht auf das Oberverwaltungsgericht beziehungsweise den Verwaltungsgerichtshof verlagert werden. Damit fällt die Berufungsinstanz als zweite Tatsacheninstanz weg, was die Gesamtdauer der Verfahren bis zu deren rechtskräftigem Abschluss verkürzen wird.

Des Weiteren soll die Elektrifizierung von Schienenstrecken und andere kleinere Vorhaben, zum Beispiel die Ausstattung einer Bahnstrecke mit Signal- und Sicherungstechnik des Standards European Rail Traffic Management System (ERTMS) und die Erhöhung oder Verlängerung von Bahnsteigen, von der Planfeststellungs- und Plangenehmigungspflicht freigestellt werden, wenn keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Auch sollen Unterhaltungsmaßnahmen keiner vorherigen Planfeststellung oder Plangenehmigung bedürfen.

Wegfallen soll künftig die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung von Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern.

Im Bereich der Raumordnung sieht der Gesetzentwurf Regelungen zur Vereinfachung des Raumordnungsrechts vor. Demnach soll zukünftig ein Raumordnungsverfahren nur noch auf Antrag des Trägers der raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durchgeführt werden. Darüber hinaus soll das Raumordnungsverfahren durch eine stärkere Digitalisierung sowie eine engere Verzahnung mit dem Zulassungsverfahren optimiert werden.

Der Bundesrat regt unter anderem die Verkürzung der Klagebegründungsfrist bei Planfeststellungen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz an, um zur Straffung des gerichtlichen Verfahrens und damit zur Beschleunigung des Planungsverfahrens beizutragen. Im Zuge dieser Änderung sollten auch die Klagebegründungsfristen für Infrastrukturvorhaben an Bundesfernstraßen und Bundeswasserstraßen in gleicher Weise angepasst werden. Sachsen hat sich hierzu aufgrund unterschiedlicher Haltungen der Koalitionspartner enthalten.

Aus Sicht des Bundesrates müsse zudem der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs erleichtert werden. Daher sollten die für das Allgemeine Eisenbahngesetz vorgesehenen Regelungen auch in das Personenbeförderungsgesetz und die Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung aufgenommen werden.

Der Bundesrat hat sich mit einem Verordnungsvorschlag der Bundesregierung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften befasst. Die Verordnung dient im Wesentlichen der Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Festlegung der höchstzulässigen Abmessungen für bestimmte Straßenfahrzeuge im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie zur Festlegung der höchstzulässigen Gewichte im grenzüberschreitenden Verkehr.

In seinen Beratungen hat sich der Bundesrat darüber hinaus nochmals mit den durch die 54. Änderungsverordnung erlassenen Änderungen des Bußgeldkatalogs vom 20. April 2020 (BR-Drucksache 591/19) befasst. Die Änderungen sind derzeit im Vollzug ausgesetzt, da gegen die Eingangsformel der Änderungsverordnung rechtliche Bedenken bestehen.
Der Verkehrsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen, den Bußgeldkatalog in der Fassung der Verordnung vom 20. April 2020 im Wesentlichen erneut zu erlassen. Allerdings schlagen sie eine differenzierte Betrachtung der Gefährdungssituation vor. So sollen Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts vor Kindergärten und Schulen und außerorts auf Autobahnen an Arbeitsstellen mit einem sofortigen Fahrverbot und einem Bußgeld sanktioniert werden. Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts ab 21 km/h bzw. ab 26 km/h außerorts sollen hingegen erst im Wiederholungsfall innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung mit einem Fahrverbot sanktioniert werden. Für alle übrigen Fälle soll weiterhin ein Fahrverbot bei Überschreitung ab 31 km/h innerorts bzw. 41 km/h außerorts bei erstmaligem Verstoß gelten.

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit schlägt dagegen vor den Bußgeldkatalog vom 20. April 2020 unverändert zu lassen und nur eine rechtsförmlich korrekte Eingangsformel zu ergänzen. Geschwindigkeitsüberschreitungen innerorts ab 21 km/h bzw. ab 26 km/h außerorts würden dann auch bei einem erstmaligen Verstoß mit einem Fahrverbot und Bußgeld sanktioniert werden.

Im Bundesrat konnte keine Einigung zu den beiden Vorschlägen erzielt werden. Die Änderungen des Bußgeldkatalogs bleiben weiter außer Vollzug gesetzt. Die Länder streben eine schnellstmögliche Lösung zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit an und werden erneut mit dem Bund verhandeln.

Der Bundesrat hat Frau Staatssekretärin Ines Fröhlich vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr als stellvertretendes Mitglied für den Eisenbahninfrastrukturbeirat benannt. Sie tritt damit die Nachfolge von Staatssekretär Hartmut Mangold an.

Über den Eisenbahninfrastrukturbeirat wird der Einfluss von Bundestag und Ländern in bahnpolitischen Entscheidungen gewährleistet. Der Beirat unterstützt die Regulierungsbehörde bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und soll Vorschläge für die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit unterbreiten.

Der Bundesrat hat Herrn Sebastian Hecht aus dem Sächsischen Staatsministerium für Kunst und Tourismus (SMKT) als Nachfolger von Herrn Staatssekretär Uwe Gaul als Mitglied und Herrn Markus Franke ebenfalls SMKT als Nachfolger von Herrn Thomas Früh als stellvertretendes Mitglied des Kuratoriums der Stiftung »Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« benannt.

Das »Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« ist eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts. Zweck dieser Stiftung ist es, in einem Ausstellungs-, Dokumentations- und Informationszentrum die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik darzustellen und Kenntnisse hierüber zu vermitteln.

Zu den Organen der Stiftung gehört neben dem Direktor, dem wissenschaftlichen Beirat und dem Arbeitskreis gesellschaftlicher Gruppen auch das Kuratorium. Von den 32 Mitgliedern des Kuratoriums werden jeweils acht vom Deutschen Bundestag und der Bundesregierung sowie 16 vom Bundesrat entsandt. Für jedes Mitglied ist für den Fall der Verhinderung eine Stellvertretung zu benennen.

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