02.03.2018

965. Bundesratssitzung vom 2. März 2018

Wichtigste Themen: Familiennachzug + Kampfmittelbeseitigung + KWK Anlagen + Waffenrecht + Gaffervideos + Digitaler Hausfriedensbruch + EU-Katastrophenschutz + Afrikanische Schweinepest

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 965. Sitzung des Bundesrates.

Der Bundesrat hat heute mit der Unterstützung Sachsens beschlossen, dass der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten bis zum Inkrafttreten der Neuregelung des Familiennachzugs, längstens jedoch bis zum 31. Juli 2018 ausgesetzt bleibt. Die ursprünglich mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren festgesetzte Frist für die Aussetzung des Familiennachzuges zu subsidiär Schutzberechtigten wäre ansonsten zum 16. März 2018 ausgelaufen. Mit dem nun verabschiedeten Gesetz ist der bislang geltende Anspruch auf Familiennachzug für diesen Personenkreis abgeschafft.

Ab dem 1. August 2018 kann für subsidiär Schutzberechtigte ein Nachzug aus humanitären Gründen gewährt werden. Hierfür besteht ein Kontingent von bis zu 1.000 Aufenthaltserlaubnissen monatlich. Die Härtefallregelungen nach §§ 22 und 23 AufenthG sollen hiervon unberührt bleiben. Das Nähere muss ein noch zu erlassendes Bundesgesetz regeln.

Der Bundesrat hat mit den Stimmen Sachsens beschlossen, den »Entwurf eines Gesetzes über die Finanzierung der Beseitigung von Rüstungsaltlasten in der Bundesrepublik Deutschland (Rüstungsaltlastenfinanzierungsgesetz – RüstAltlFG)« erneut beim Deutschen Bundestag einzubringen.

Die erneute Einbringung wurde notwendig, da sich der Gesetzentwurf (Drs. 533/11 bzw. 282/14) durch Ablauf der Wahlperiode und der damit einhergehenden Diskontinuität erledigt hatte.

Inhaltlich strebt der Gesetzentwurf eine angemessene Lastenteilung zwischen Bund und Ländern bei der Finanzierung von Maßnahmen zur Beseitigung von Rüstungsaltlasten an. Nach der bisherigen Staatspraxis erstattet der Bund den Ländern nur die Aufwendungen für die etwaige Kampfmittelräumung auf bundeseigenen Liegenschaften sowie für die Bergung und Vernichtung sogenannter »reichseigener Munition«. Eine Kostenübernahme für die Beseitigung von Kampfmitteln der früheren Alliierten scheidet damit aus. Besonders stark betroffene Bundesländer sind mit dieser Situation oft finanziell überfordert.

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass der Bund den Ländern die Kosten der Kampfmittelräummaßnahmen auch alliierter Munition und Altlasten, die in Vorbereitung und Folge des Zweiten Weltkrieges entstanden sind, erstattet.

Der Bundesrat hat sich in seiner heutigen Sitzung mit zwei Gesetzesinitiativen der Länder Niedersachsen und Hessen zur Änderung des Waffenrechts befasst. Beide Gesetzesinitiative verfolgen das Ziel, den legalen Waffenbesitz von Personen aus dem extremistischen Spektrum besser kontrollieren und eindämmen zu können. Dafür sollen die Vorschriften zur so genannten Zuverlässigkeitsprüfung in § 5 Waffengesetz präzisiert und eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden eingeführt werden. Das bedeutet, dass die zuständigen Waffenbehörden künftig beim Verfassungsschutz personenbezogene Informationen über alle Personen abfragen dürfen, die einen Antrag auf Waffenerwerb oder -besitz stellen. Extremisten, die dem Verfassungsschutz bekannt sind, könnten die Behörden dann die Erlaubnis versagen.

Der Bundesrat hat die Einbringung der Gesetzesinitiative des Landes Niedersachsen beim Deutschen Bundestag mit den Stimmen Sachsens beschlossen. Dieser muss nun entscheiden, ob er das Anliegen der Länder aufgreift. Die Initiative Hessens wurde zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen.

Der Bundesrat hat sich bereits 2016 mit Unterstützung Sachsens für die strafrechtliche Sanktionierung des Verhaltens von sog. »Katastrophentouristen« und sonstigen Schaulustigen ausgesprochen. In der Vergangenheit waren vermehrt Personen aufgefallen, die bei schweren Unfällen die verunglückten Personen mit ihren mobilen Telefonen fotografierten, statt diesen zu helfen. In Einzelfällen waren auch die Rettungs- und Aufräumarbeiten behindert worden. Nach der Gesetzesänderung von 2017 können Personen nunmehr bestraft werden, die Rettungskräfte und andere Hilfeleistende beim Hilfeleisten behindern.

Der nun mehrheitlich im Bundesrat beschlossene Gesetzesentwurf greift das Vorhaben wieder auf, Personen strafrechtlich zu sanktionieren, die bei Unglücksfällen Aufnahmen von Verstorbenen fertigen und diese verbreiten. Von Schutzzweck des § 201 a StGB sind bis jetzt lediglich lebende Personen umfasst. Zudem soll bereits der Versuch der Herstellung von »Unglücksaufnahmen« strafbar sein.

Der Gesetzentwurf wird nunmehr dem Bundestag zugeleitet. Zuvor wird die Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Bereits im September 2016 stimmte der Bundesrat für die Einführung eines neuen Tatbestandes, der den digitalen Hausfriedensbruch unter Strafe stellt. Der Gesetzesentwurf konnte in der 18. Wahlperiode des Bundestags nicht zum Abschluss gebracht werden und unterfiel der Diskontinuität. Der nunmehr neu eingebrachte Gesetzesentwurf fand erneut mit den Stimmen Sachsens im Bundesrat mehrheitliche Unterstützung.

Der Gesetzesentwurf bezweckt den strafrechtlichen Schutz von IT-Systemen vor Angriffen aller Art. Derzeit werden durch das Recht nur die Daten geschützt, nicht aber IT-Systeme selbst. Cyberangriffen sollen nunmehr – dem Rechtsgedanken des Hausfriedensbruchs zugrunde liegend – Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr drohen. In besonders schweren Fällen kann sogar eine Strafe bis zu 10 Jahren drohen. Ziel ist ein lückenloser strafrechtlicher Schutz aller Systeme und die Strafbarkeit nahezu aller Angriffsarten. Die neue Strafvorschrift ist deshalb bewusst technikoffen formuliert, um sie in der Praxis auch in Zukunft gut handhaben zu können.

Der Gesetzentwurf wird nunmehr dem Bundestag zugeleitet. Zuvor wird die Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Der Freistaat Sachsen ist einem Antrag der Länder Thüringen und Rheinland-Pfalz beigetreten, der heute vom Bundesrat beschlossen worden ist. Darin fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, sich gegenüber der EU-Kommission für Rechtssicherheit für KWK-Anlagen in der Eigenstromversorgung einzusetzen. Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung haben einen hohen Wirkungsgrad, weil sie gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen können und tragen damit zur Erreichung der Klimaziele bei. Deshalb werden sie besonders gefördert. Wird der erzeugte Strom vom Betreiber selbst genutzt, entfällt auch die EEG-Umlage.

Hintergrund des Bundesratsbeschlusses ist, dass KWK-Neuanlagen, die nach dem 1. August 2014 in Betrieb gegangen sind, nur bis zum 31. Dezember 2017 von der EEG-Umlage befreit sind. Seit Anfang dieses Jahres müssen sie für den selbst genutzten Strom EEG-Umlage bezahlen, was die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen teilweise in Frage stellt.

Rede von Staatsminister Dulig:

Sollten Sie Probleme beim Abspielen des Videos haben, finden Sie dieses auch unter www.bundesrat.de/video?id=7206237

Der Bundesrat hat mit den Stimmen des Freistaates Sachsens eine kritische Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission für einen zur Änderung des Katastrophenschutzverfahrens der Europäischen Union beschlossen. Diese deutliche Kritik, die der Kommission zugeleitet wird, bezieht sich sowohl auf die rechtlichen Voraussetzungen und die Methodik der europäischen Initiative als auch auf wesentliche Punkte ihres Inhalts:

Der Bundesrat sieht in den vorgeschlagenen Änderungen eine Kompetenzüberschreitung der EU insbesondere hinsichtlich der »reaktiven Anteile der Risikomanagementplanung«, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Diverse Meldepflichten, die über die bereits geltende Rechtslage hinausgehen und neue Kontroll- und Steuerungskompetenzen für die EU-Kommission lehnt der Bundesrat ebenso ab wie die Einrichtung eigener europäischer Katastrophenschutzkapazitäten.

Eine Subsidiaritätsrüge gegen das Verfahren, die der Freistaat Sachsen unterstützt hatte, fand in der 964. Sitzung keine Mehrheit im Bundesrat. Wesentliche inhaltliche Bestandteile der abgelehnten Subsidiaritätsrüge finden sich nun in der kritischen Stellungnahme wieder.

Der Bundesrat hat den Finanzminister des Freistaates Sachsen, Herrn Dr. Matthias Haß, zum Mitglied des Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau bestellt. Er folgt hierin Herrn Staatsminister a. D. Prof. Dr. Georg Unland, der sein Mandat niedergelegt hat.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau wurde nach dem Zweiten Weltkrieg am 18. November 1948 mit dem Ziel gegründet, den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft zu finanzieren. Das Startkapital stammte vor allem aus Mitteln des Europäischen Wiederaufbauprogrammes (englisch European Recovery Program oder ERP, umgangssprachlich meist nur kurz Marshallplan genannt). Das Kapital der KfW wird zu vier Fünfteln von der Bundesrepublik Deutschland und zu einem Fünftel von den Bundesländern gehalten. Die KfW ist die weltweit größte nationale Förderbank sowie nach Bilanzsumme die drittgrößte Bank Deutschlands.

Der Verwaltungsrat überwacht und berät den Vorstand bei der Leitung der KfW. Er besteht nach dem KfW-Gesetz aus 37 Vertretern von Politik, Wirtschaft und Verbänden.

Der Bundesrat hat einem Verordnungsentwurf der Bundesregierung zum Schutz vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) mit den Stimmen Sachsens zugestimmt. Das Bundeskabinett hatte die Verordnung am 21. Februar 2018 beschlossen.

Um das Einschleppen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) nach Deutschland zu verhindern, soll unter anderem die Schonzeit für das Jagen von Wildschweinen aufgehoben werden. Diese können Überträger des Erregers sein. Die für Menschen ungefährliche Erkrankung verläuft bei Haus- und Wildschweinen fast immer tödlich. Einen Impfstoff gibt es nicht. Die Afrikanische Schweinepest tritt seit 2007 in der Ukraine, Weißrussland und Russland auf. Seit 2014 gibt es Fälle im Baltikum und Polen. Im Sommer 2017 wurde sie erstmals bei Wildschweinen in der Tschechischen Republik sowie bei Hausschweinen in Rumänien festgestellt. Es besteht die Gefahr, dass die Seuche aufgrund des hohen Infektionsdruckes in weitere Länder der EU verschleppt wird. Dies soll durch einen umfangreichen Maßnahmenkatalog verhindert werden.

Durch die milden Winter und das umfangreiche Nahrungsangebot ist der Bestand an Wildschweinen in Deutschland erheblich angewachsen. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Population ausgedünnt werden, um das Ansteckungsrisiko zu vermindern. Daher soll künftig die Jagd auf Wildschweine ganzjährig möglich sein. Außerdem enthält die Verordnung weitere Hygiene- und Untersuchungsmaßnahmen und Vorgaben für Jäger, Tierhalter und Behörden, die der Seuchenprävention dienen.

Das ASP-Virus wird direkt über Tierkontakte oder indirekt zum Beispiel über Fleisch oder Wurst von infizierten Tieren übertragen. Unter ungünstigen Bedingungen können unachtsam entsorgte Reste von virushaltigem Reiseproviant ausreichen, um die Seuche einzuschleppen. Solche Essensreste sollten daher vermieden oder aber ordnungsgemäß entsorgt werden – das heißt: für Wildschweine nicht zugänglich. Seit 2014 werden Reisende und Lkw-Fahrer, die nach Deutschland einreisen, mit mehrsprachigen Plakaten auf Rast- und Parkplätzen an Autobahnen über die Übertragung der ASP durch virushaltige Lebensmittel hingewiesen. Dabei stehen vor allem die Autobahnen der Ost-West-Route im Fokus.

Die Bundesregierung hatte den Bundesrat gebeten, die Verordnung in verkürzter Frist zu beraten. Nach der Zustimmung durch den Bundesrat kann diese nun in Kraft treten.

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