23.03.2018

966. Bundesratssitzung vom 23. März 2018

Wichtigste Themen: Schienenfernverkehr | Pflegepersonal | Konsularischer Schutz | Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen | Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse | Länderinteressen beim Brexit | »Nikolaus-Paket« der EU-Kommission | Benennung für den Stiftungsrat der »Stiftung für ehemalige politische Häftlinge«

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 966. Sitzung des Bundesrates.

Der Bundesrat hat ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz mit den Stimmen Sachsens gebilligt, das eine EU-Richtlinie zum Schutz von EU-Bürgern in außereuropäischen Staaten in deutsches Recht umsetzt.

Wenn ein deutscher Staatsbürger im Ausland Hilfe benötigt, es dort aber keine deutsche Botschaft gibt, kann er die konsularische Unterstützung anderer EU-Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen. Umgekehrt helfen deutsche Auslandsvertretungen in Not geratenen EU-Bürgern, deren Heimatland keine eigene Botschaft vor Ort hat. Diese Praxis soll nun gesetzlich geregelt werden, ebenso die Kostenerstattung unter den Mitgliedstaaten. Muss Deutschland einem anderen Land dessen Auslagen erstatten, kann es anschließend diesen Betrag vom betroffenen Bürger wieder zurückholen

Nach Angaben der Bundesregierung hat Deutschland 2015 in 107 von weltweit 616 Konsularhilfefällen EU-Bürgern Hilfe geleistet. In acht Fällen haben Deutsche die konsularische Unterstützung anderer EU-Mitgliedstaaten in Anspruch genommen. Insgesamt fielen jährlich zwischen 60.000 und 70.000 Konsularhilfefälle bei deutschen Auslandsvertretungen an

Der Bundesrat sollte sich ursprünglich mit einem Gesetzesentwurf zur weiteren Vereinfachung des Steuerrechts 2013 (StVereinfG 2013) beschäftigen. Da sich abzeichnete, dass die Vorlage keine Mehrheit bekommen würde, haben die Antragsteller die Vorlage von der Tagesordnung absetzen lassen. Auch der Freistaat Sachsen hatte im Vorfeld deutlich gemacht, dass er der Vorlage nicht zustimmen würde. Die erneute Vorlage war erfolgt, da der Entwurf in der letzten Legislaturperiode der Diskontinuität unterfallen war. Mit dem Entwurf wurden folgende 11 Steuervereinfachungen vorgeschlagen:

  • Erhöhung der Pauschalbeträge für behinderte Menschen um 30 bis 50 % (Einzelnachweis höherer krankheits- oder behinderungsbedingter Kosten möglich)
  • Nachweis von Pflegekosten: Pflegeheimkosten ohne Kosten für Unterkunft und Verpflegung
  • Abzug von Unterhaltsleistungen in das Ausland (höhere Nachweisauflagen: Unterhaltstitel bei Drittstaaten, unbare Zahlungen)
  • Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschalbetrags um 130 EUR auf 1.130 EUR
  • Pauschale von 100 EUR monatlich für häusliches Arbeitszimmer
  • Zweijährige Gültigkeit von Freibeträgen im Lohnsteuerabzugsverfahren
  • Begrenzung der Steuerfreiheit von Arbeitgeberzuschüssen zur Kinderbetreuung (entsprechend dem Höchstabzug von Betreuungskosten als Sonderausgaben)
  • Senkung der 44 EUR-Freigrenze für Sachbezüge auf 20 EUR
  • Sockelbetrag von 300 EUR bei der Steuerermäßigung für Handwerkerrechnungen (§ 35a Abs. 3 EStG)
  • Wegfall der steuerlichen Vergünstigungen für Initiatorenvergütungen von vermögensverwaltenden Private-Equity-Fonds (Carried Interest)
  • Vereinfachung des Verlustabzugs bei beschränkter Haftung von Kommanditisten durch »Steuerbilanzmodell« anstelle des Bezugs zum Handelsrecht

Der Freistaat Sachsen lehnt diese Vorlage ab. Insbesondere deshalb, weil als Gegenfinanzierungsmaßnahme für die genannten Erleichterungen eine Einschränkung bei der Steuerermäßigung für Handwerkerrechnungen vorgesehen wird. Der Freistaat Sachsen hatte sich bereits in der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass die Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen nicht eingeschränkt wird, da diese insbesondere die Schwarzarbeit zurückdrängen und die Auftragslage von handwerklichen Kleinstbetrieben verbessern soll. Darüber hinaus sind die aus dem Jahr 2012 stammenden Vorschläge teilweise bereits überholt.

Der Bundesrat hat eine Entschließung des Landes Berlin zu Personaluntergrenzen in der Pflege beschlossen. Der Freistaat Sachsen sieht in den geforderten Maßnahmen derzeit keine geeigneten Schritte, um die Situation in der Pflege zu verbessern. Hierzu bedarf es vielmehr einer ganzen Reihe aufeinander abgestimmter Maßnahmen.

Konkret wollte Berlin kurzfristig bundeseinheitliche gesetzliche Personalschlüssel für stationäre Pflegeeinrichtungen, obwohl das Gesetz im § 113c SGB XI schon jetzt den Selbstverwaltungspartnern einen Auftrag erteilt hat, ein neues Personalbemessungssystem zu entwickeln und zu erproben. Über die weiteren Forderungen Berlins in der Entschließung sollte nach Auffassung der Sächsischen Staatsregierung zum geeigneten Zeitpunkt gesprochen werden.

Der Bundesrat hat mit breiter Mehrheit eine ursprünglich von Schleswig-Holstein eingebrachte Entschließung zur Verbesserung der Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen gefasst. Die ursprüngliche Entschließung wurde allerdings in den Ausschüssen des Bundesrats modifiziert. Mit der Neufassung soll die Bundesregierung aufgefordert werden, in Abstimmung mit den Ländern zu prüfen, welche rechtlichen und finanziellen Schritte gemeinsam gegangen werden können, um die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen weiter verbessern und beschleunigen zu können.

Das im Dezember 2011 erlassene Gesetz des Bundes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen kann wesentlich zur Deckung des Fachkräftebedarfs und zur Integration von ausländischen Arbeitskräften beitragen. Es wurde inzwischen von den Ländern um entsprechende Bestimmungen zu landesrechtlich geregelten Berufsqualifikationen ergänzt. In Sachsen gibt es bereits seit 2013 ein sächsisches Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Mit der Entschließung bekräftigt der Bundesrat seine Bereitschaft, gemeinsam mit der Bundesregierung nach Wegen und Möglichkeiten zu suchen, um die Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen zu beschleunigen und die Verfahren dafür zu optimieren. Damit soll auch dem bestehenden Fachkräftemangel entgegengewirkt werden können.

Der Bundesrat hat zu einer Empfehlung für einen Beschluss des Europäischen Rates zu den Brexit-Verhandlungen umfangreich Stellung genommen.

Mit dem Brexit stehen auch die Deutschen Länder vor einer Reihe von wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und politischen Problemen. Die Europaministerkonferenz befürchtet, dass das Mandat, dass der Rat der Kommission für die Führung der Brexit-Verhandlungen erteilt hat, diese Probleme nicht hinreichend abbildet. Deshalb hat sie einen Bundesratsbeschluss initiiert, in dem auf diese Probleme noch einmal explizit hingewiesen wird. Dabei handelt es sich unter anderem um die Fortführung der Programmfinanzierungen für die grenzübergreifende, transnationale und interregionale Zusammenarbeit mit längerer Laufzeit als bis 2019. Auch die Einführung eines möglichst wenig binnenmarktfeindlichen Zollregimes, großzügige Freizügigkeitsregelungen bis hin zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen und insgesamt die Vorbereitung eines Level Playing Fields werden gefordert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Weitere Forderungen betreffen die Fortführung der kulturellen Zusammenarbeit und der wissenschaftlichen Forschung oder die Fortführung der Zusammenarbeit in der Fischerei.

Der Bundesrat hat zum sogenannten »Nikolaus-Paket« zur Reform der Euro-Zone Stellung genommen. Die Kommission hatte es am 6. Dezember (Nikolaustag) des vergangenen Jahres vorgestellt. Die Neuregelung des Pakets befassen sich:

  • mit der Errichtung eines in der Rechtsordnung der Europäischen Union verankerten Europäischen Währungsfonds (EWF),
  • mit einem Vorschlag zur Integration der Substanz des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion in das EU-Recht,
  • mit neuen Haushaltsinstrumenten für ein stabiles Euro-Währungsgebiet innerhalb der EU-Rechtsordnung (u. a. eine Konvergenzfazilität für Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet beitreten),
  • mit dem Europäischen Minister für Wirtschaft und Finanzen sowie
  • mit gezielten Änderungen der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen zwecks Mobilisierung von EU-Mitteln zur Unterstützung nationaler Reformen und mit einem Vorschlag zur Ausweitung des Programms zur Unterstützung von Strukturreformen.

Darüber hinaus schlägt die Kommission einen Fahrplan für wichtige Schritte zur Vertiefung der WWU in den kommenden 18 Monaten bis Mitte 2019 vor. Fortschritte erachtet sie insbesondere in den vier komplementären Bereichen Finanz-, Fiskal- und Wirtschaftsunion sowie demokratische Rechenschaftspflicht und intensivierte Steuerung als erforderlich. Unter anderem sieht der Bundesrat die Einrichtung eines europäischen Finanzministers kritisch. Der Freistaat Sachsen hat die Stellungnahme des Bundesrates in Teilen unterstützt. 

Lutz Rathenow, Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen ist vom Bundesrat zum Mitglied des Stiftungsrates für ehemalige politische Häftlinge vorgeschlagen worden. Die Benennung selbst obliegt dem Bundesminister des Innern. Die neue Amtszeit des Stiftungsrates geht vom 1. Mai 2018 bis 30. April 2022. Rathenow hatte bereits in der laufenden Amtszeit den Sitz im Stiftungsrat inne.

Aufgabe der Stiftung ist die Unterstützung und Beratung ehemaliger politischer Häftlinge in der DDR und anderen in § 1 Absatz 1 Häftlingshilfegesetz genannten Gebieten, die aus politischen und nach freiheitlich-demokratischer Auffassung nicht zu vertretenden Gründen in Gewahrsam genommen wurden. Kam es dabei zu gesundheitlichen Schäden, stehen den ehemaligen Häftlingen zum Ausgleich der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Nachteile auf Antrag Versorgungsleistungen gemäß § 4 Häftlingshilfegesetz zu. Zusätzlich kann nach Maßgabe von §§ 17, 18 Häftlingshilfegesetz finanzielle Unterstützung bekommen, wer sich verfolgungsbedingt in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befindet – diese steht dann auch Angehörigen und Hinterbliebenen zu. Über die Anträge der Betroffenen entscheidet ein von der Stiftung beim Vorstand gebildeter Ausschuss.

Der Stiftungsrat besteht aus zwölf Mitgliedern, die dem Gremium für vier Jahre angehören. Er überwacht die Arbeit des Stiftungsvorstandes und entscheidet über die Richtlinien der Mittelverwendung sowie über grundsätzliche Fragen.

Auf Initiative mehrerer Länder hat der Bundesrat mit den Stimmen Sachsens ein Schienenpersonenfernverkehrsgesetz beschlossen. So soll sichergestellt werden, dass der Bund seiner Verantwortung zur Stärkung des Schienenfernverkehrs nachkommt. Der Gesetzentwurf enthält einen gesetzlichen Auftrag an den Bund, im Schienenfernverkehr zumindest ein Grundangebot zu gewährleisten sowie einen Schienenpersonenfernverkehrsplan zu entwickeln.

Zur Begründung der Gesetzesinitiative verweist der Bundesrat auf den seit 1996 zu beobachtenden Abbau des Fernverkehrsangebots in Deutschland. So habe sich das Streckennetz um rund 3.700 km verkürzt. Acht Großstädte und 21 Oberzentren hätten ihre Fernverkehrsanbindung verloren und bei weiteren 122 Städten habe sich die Zahl der haltenden Fernverkehrszüge halbiert. Ohne gesetzgeberisches Handeln sei eine Fortsetzung dieser Entwicklung zu befürchten. Mit der Bereitstellung der Schienenwege oder der Konzeption von Trassen allein, werde der Bund seiner Verantwortung nicht gerecht. Darüber hinaus gerieten die Länder unter wachsenden Druck, zusätzliche Leistungen anzubieten, die quasi Fernverkehrscharakter haben. Seit der Bahnreform im Jahr 1994 obliegt jedoch dem Bund die Daseinsvorsorge für den Fernverkehr, während die Länder für den Regionalverkehr verantwortlich sind.

Entgegen der Vorgabe des Grundgesetzes hat der Bund bislang kein Gesetz erlassen, um seine Verantwortung für den Fernbahnverkehr zu regeln. Der beabsichtigte Gesetzentwurf soll nun Abhilfe leisten. Es ist bereits das zweite Mal, dass der Bundesrat in der Sache Initiative ergreift. Bereits Anfang 2017 hatte er einen entsprechenden Gesetzentwurf mit der Unterstützung des Freistaates Sachsen beim Bundestag eingebracht. Dieser griff das Anliegen jedoch nicht auf, weshalb die Vorlage mit Ablauf der letzten Legislaturperiode dem Diskontinuitätsgrundsatz unterfiel.

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