08.06.2018

968. Bundesratssitzung vom 8. Juni 2018

Wichtigste Themen: Sächsische Initiativen zu Antennengemeinschaften und Rauschtaten + Netzentgelte + Familiennachzug + Sorben + Haushalt 2018 + Notbrems- und Abbiegeassistenten + Meister-BAföG + Haftentschädigung + Musterfeststellungsklage + Rentenerhöhung

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 968. Sitzung des Bundesrates.

Mit großer Mehrheit stimmten die Länder im Bundesrat für den sächsischen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Situation der Antennengemeinschaften. Durch eine klarstellende Änderung einer Vorschrift des Urhebergesetzes sollen die Antennengemeinschaften von urheberrechtlichen Gebühren befreit werden. Damit soll nach dem Willen des Bundesrates eine Gerechtigkeitslücke geschlossen werden.

Bei den Antennengemeinschaften handelt es sich um zumeist privat organisierte und nicht nach Gewinnabsicht strebende Vereine, die insbesondere in Ostdeutschland in den achtziger Jahren entstanden, die aber auch in Teilen Westdeutschlands zu finden sind. Im Osten sollten diese vorgeblich den Empfang des DDR-Fernsehens verbessern, tatsächlich wurde damit in Eigeninitiative die Möglichkeit geschaffen, auch westdeutsche Sender zu empfangen. Die überwiegend im ländlichen Raum befindlichen Antennengemeinschaften empfangen die Sendesignale seither durch eine Gemeinschaftsanlage und leiten diese durch ein eigens verlegtes Kabelnetz an die Empfangsgeräte der Haushalte weiter, welche sich zum Betrieb der Gemeinschaftsantennenanlage zusammengeschlossen haben.

Für Wohnungseigentümergemeinschaften, die sich in der Weiterleitung der Signale kaum unterscheiden hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass keine urheberrechtlichen Ansprüche entstehen, sofern es sich um eine zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weitersendung handelt. Aus sächsischer Sicht ist eine Ungleichbehandlung zwischen Antennengemeinschaften und Wohnungseigentümergemeinschaften nicht gerechtfertigt.

Der Freistaat Sachsen hat in dieser Angelegenheit den zweiten Anlauf unternommen, nachdem der Bundesrat bereits in seiner 957. Sitzung am 12. Mai 2017 einem Antrag Sachsens zustimmte, die Bundesregierung zu bitten, Antennengemeinschaften von der urheberrechtlichen Vergütungspflicht für die Kabelweitersendung zu befreien. Die Bundesregierung hatte in ihrer Gegenäußerung vom 17. Mai 2017 die Prüfbitte des Bundesrates abgelehnt und u.a. auf das europäische Recht verwiesen.

Mittlerweile hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs deutlich gemacht, dass in diesem Bereich für den nationalen Gesetzgeber durchaus Handlungsspielräume bestehen (EuGH, Urteil vom 16. März 2017 – C-138/16 – AKM/Zürs.net). Sachsen will sich deswegen nicht mit einem Verweis auf einen angeblichen Verstoß gegen europäisches Recht abfinden und fordert mit seiner Gesetzinitiative von Bundesregierung und Bundestag ein, zeitnah Handlungsfähigkeit zu zeigen.

Mit der durch den Bundesrat beschlossenen sächsischen Gesetzesinitiative soll § 15 Absatz 3 UrhG dahingehend erweitert werden, dass die Weitersendung eines gesendeten Werkes im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig übertragenen Programms durch die Gemeinschaftsantennenanlage unter bestimmten Voraussetzungen (etwa kein gewerbsmäßiger Betrieb der Gemeinschaftsantennenlage) nicht als öffentliche Wiedergabe gilt und deshalb keine urheberrechtlichen Vergütungsansprüche auslöst.

Der Gesetzentwurf des Bundesrates wird nunmehr dem Bundestag zugeleitet. Zuvor wird die Bundesregierung Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Rede von Staatsminister Sebastian Gemkow:

Sollten Sie Probleme beim Abspielen des Videos haben, finden Sie dieses auch unter www.bundesrat.de/video?id=7243487

Der Freistaat Sachsen hat im Bundesrat eine Initiative für eine gerechtere Bestrafung von Straftaten nach Alkohol- und Rauschmittelkonsum eingebracht. Durch drei Änderungen im Strafgesetzbuch soll eine Korrektur und Klarstellung der geltenden Rechtslage erfolgen. Bisher führt eine Tat unter Alkohol- und Rauschmitteleinfluss regelmäßig zu einer milderen Bestrafung.

Aus Sicht von Sachsen ist das derzeitige Strafrecht nicht geeignet, die erheblichen Gefahren durch Straftaten unter Alkohol und Drogen angemessen zu ahnden. Die aktuelle Rechtslage erweckt den Eindruck, Rauschtaten würden grundsätzlich milder bestraft. Dies läuft – vor allem bei schweren Gewalttaten oder Verkehrsdelikten mit Todesopfern dem Rechtsempfin-den der Bevölkerung zuwider und setzt ein verheerendes rechtspolitisches Signal an potentielle Straftäter.

Der sächsische Entwurf schlägt deshalb eine Klarstellung im Strafgesetzbuch vor, wonach eine Strafrahmenmilderung regelmäßig ausgeschlossen ist, wenn die verminderte Schuldfähigkeit auf einem selbstverschuldeten Rausch beruht. Selbstverschuldet ist ein Rausch immer dann, wenn der Täter wusste oder wissen musste, dass er sich durch Rauschmittel in einen Rausch versetzte und wenn ihm dies zum Vorwurf gemacht werden kann. Eine mildere Bestrafung von Rauschtaten ist dann nicht einzusehen, wenn der Täter zumutbare Willensanstrengungen unterlässt, seinem Drang, sich zu berauschen, entgegenzusteuern.

Weiterhin soll im Anwendungsbereich des Vollrausch-Paragraphen (§ 323 a StGB) der Schwere der im Rausch begangenen Tat stärkeres Gewicht verliehen werden. Nach derzeitiger Rechtslage kann ein wegen Vollrausches schuldunfähiger Täter nur mit einer maximalen Freiheitsstrafe von 5 Jahren bestraft werden. Dieser Strafrahmen wird nach Auffassung des Freistaates Sachsen schwersten Straftaten wie zum Beispiel Mord- und Totschlag nicht gerecht. Um diese Gerechtigkeitslücke zu schließen, soll der Vollrausch-Paragraph den Strafrahmen derjenigen Vorschrift übernehmen, welche die Rauschtat objektiv erfüllt.

Letztlich sieht der Entwurf eine Strafverschärfung bei § 222 StGB (fahrlässige Tötung) vor. Sofern der Täter leichtfertig handelt, soll den Täter eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren erwarten.
Die Initiative wurde zur Beratung in die Bundesratsausschüsse überwiesen.

Rede von Staatsminister Sebastian Gemkow:

Sollten Sie Probleme beim Abspielen des Videos haben, finden Sie dieses auch unter www.bundesrat.de/video?id=7243489

Der Bundesrat hat heute mit den Stimmen Sachsens der Verordnung zur schrittweisen Einführung bundeseinheitlicher Netzentgelte zugestimmt. Mit der Verordnung wird eine Verordnungsermächtigung umgesetzt, die mit dem im Juli 2017 beschlossenen Netzentgeltmodernisierungsgesetz geschaffen wurde.

Mit der bundesweiten Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte, für die sich der Freistaat Sachsen mit Nachdruck eingesetzt hatte, wird ein wichtiger Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit der Netzkosten, insbesondere auch zwischen Ost und West, geleistet. Der Umsetzungsprozess beginnt ab dem 1. Januar 2019 und wird zum 1. Januar 2023 abgeschlossen sein. Die Angleichung erfolgt in fünf Schritten. Durch die Vereinheitlichung sinken die Übertragungsnetzentgelte in den neuen Bundesländern aus heutiger Sicht um über 20 %. Sie sorgt für eine gerechte Verteilung der energiewendebedingten Netzkosten. Da alle Stromkunden in Deutschland in gleichem Maße von der Energiewende profitieren und Netzausbau sowie Versorgungssicherheit im Übertragungsnetz ebenfalls allen Kunden zugutekommt, wird das bundesweit einheitliche Übertragungsnetzentgelt nicht nur für eine fairere Kostenverteilung sorgen, sondern auch volks- und energiewirtschaftliche Potentiale heben.

Rede von Staatsminister Martin Dulig:

Sollten Sie Probleme beim Abspielen des Videos haben, finden Sie dieses auch unter www.bundesrat.de/video?id=7243539

Der Bundesrat hat sich im ersten Durchgang mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten befasst und eine Stellungnahme beschlossen.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Aufenthaltsrechts vom 8. März 2018 wurde der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten bis zum 31. Juli 2018 weiter ausgesetzt. Zugleich wurde geregelt, dass ab 1. August 2018 der besagte Familiennachzug aus humanitären Gründen mit einem auf 1.000 Personen im Monat begrenzten Kontingent eröffnet wird. Daran knüpft der vorliegende Gesetzentwurf an und gestaltet die Voraussetzungen für einen Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten ab 1. August 2018 im Einzelnen aus.

Im Einzelnen wird folgendes geregelt:

Den Mitgliedern der Kernfamilie, d.h. Ehegatten, minderjährigen ledigen Kindern oder Eltern minderjähriger Kinder, kann ab dem 1. August 2018 aus humanitären Gründen der Familiennachzug gewährt werden, ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht. Der Familiennachzug wird auf 1.000 Personen pro Monat beschränkt. Für den Zeitraum 1. August bis 31. Dezember 2018 wird die Begrenzung bei insgesamt 5.000 Visa liegen, das heißt bis zum 31. Dezember kann das nicht ausgeschöpfte Kontingent auf den Folgemonat übertragen werden.
Humanitäre Gründe liegen insbesondere vor bei:

  • langer Dauer der Trennung der Familie
  • Betroffenheit eines minderjährigen ledigen Kindes
  • Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit des Familienmitglieds im Aufenthaltsstaat
  • schwerwiegender Erkrankung, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit des Ausländers oder eines Familienangehörigen

Um möglichen Missbrauch zu verhindern, enthält die gesetzliche Neuregelung zudem Fallgruppen, für die der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten in der Regel ausgeschlossen bleibt. Ehen, die erst nach der Flucht aus dem Herkunftsland geschlossen wurden, berechtigen in der Regel nicht zum Familiennachzug. Gleiches gilt, wenn die Ausreise des subsidiär Schutzberechtigten kurzfristig zu erwarten ist oder es sich um Personen handelt, die schwerwiegende Straftaten begangen haben.

Ebenso ist ein Familiennachzug zu in Deutschland lebenden Gefährdern grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings soll nach dem Gesetzentwurf ein Nachzug in begründeten Einzelfällen zulässig sein, wenn es sich um einen ehemaligen Gefährder handelt, der sich gegenüber den zuständigen Behörden offenbart und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand genommen hat. Hierüber war eine öffentliche Debatte entbrannt. In den Ausschussberatungen hat Sachsen das Anliegen unterstützt, die bislang im Gesetzentwurf enthaltene Ausnahmereglung für den Familiennachzug zu sog. Gefährdern im weiteren parlamentarischen Verfahren wieder zu streichen. Im Bundesrat erhielt diese Forderung jedoch keine Mehrheit.

Der Bundesrat hat den »Entwurf des Haushaltsgesetzes 2018» im ersten Durchgang beraten und mit den Stimmen Sachsens eine Stellungnahme beschlossen.
Der Entwurf des Bundeshaushalts 2018 weist folgende Eckwerte auf:

  Ist 2017 2. RegE 2018 Eckwerte
      2019 2020 2021 2022
  in Mrd. Euro
1 2 3 4 5 6 7
I.    Ausgaben… 330,7 341,0 356,1 361,3 362,8 367,7
Veränderung ggü. Vorjahr in Prozent +4,3 +3,1 +4,4 +1,5 +0,4 +1,4
II.    Einnahmen… 330,7 341,0 356,1 361,3 362,8 367,7
Steuereinnahmen… 309,4 319,0 332,4   335,4 349,6  362,2
Nettokreditaufnahme… 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
nachrichtlich:            
Ausgaben für Investitionen… 34,0 37,0 37,9 37,1  34,8 33,5

Hervorzuheben sind folgende Sachverhalte:

  • Für den Bundeshaushalt 2018 ist keine Nettoneuverschuldung vorgesehen.
  • Gegenüber dem 1. Regierungsentwurf vom 28. Juni 2017 haben sich die Einnahmen und Ausgaben um 3,5 Mrd. Euro erhöht: Auf der Einnahmenseite stehen höheren Steuereinnahmeerwartungen (+10,2 Mrd. Euro auf Basis der Steuerschätzung vom Februar 2018) und geringere Entnahmen aus der Asylrücklage (-6,6 Mrd. Euro; d. h. Entnahme von nur noch 1,6 Mrd. Euro bei Bestand von 23,9 Mrd. Euro Ende 2017) gegenüber..
  • Ausgabenerhöhungen entstehen etwa durch den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst vom April 2018 und die Umsetzung erster prioritärer Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag:
    • Rd. 67,1 Mio. Euro, als Anteil des Bundes am schrittweisen Erreichen des 3,5-Prozent-Ziels für Forschung und Entwicklung bis 2025
    • 300 Mio. Euro Eingliederungsleistungen nach dem SGB II im BMAS.
    • 215 Mio. Euro für ländliche Räume/Landwirtschaft im BMEL.
    • 400 Mio. Euro sind für das Baukindergeld im Einzelplan 60 reserviert.
    • 375 Mio. Euro beim AA und BMZ für mehr Entwicklungshilfe / Humanitäre Hilfe.

In seiner Stellungnahme begrüßt der Bundesrat insbesondere, dass an dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts festgehalten wird, ist aber der Ansicht, dass ein größeres Gewicht auf langfristig wachstumsstärkende Ausgaben zu legen sei. Zudem sollten Investitionsbedarfe (z. B. für Verkehrsinfrastruktur, Wohnraumförderung, Digitalisierung, Einhaltung der Klimaschutzziele sowie in den Bereichen Kinderbetreuung, Schulen und Integration) angegangen werden. Weiter wichtige Ziele seien eine klare Digitalisierungsstrategie und die Fortsetzung der finanziellen Entlastung der Kommunen.

Der Bundesrat weist den Bund außerdem darauf hin, dass die zuletzt auf Bundesebene avisierten Mittel zur Entlastung der Ländern und Kommunen von den Integrationskosten nicht ausreichend sind, um die gestiegenen und weiter steigenden Kosten der Länder und Kommunen aufzufangen.

Abschließend fordert der Bundesrat, dass die notwendigen rechtlichen Schritte eingeleitet werden, damit die Länder von den Kompensationsleistungen des Fonds Deutsche Einheit in Höhe von 2,2 Mrd. Euro nach dessen erfolgter Abfinanzierung spätestens ab dem Jahr 2019 vollständig freigestellt werden.

Der Freistaat Sachsen hat gemeinsam mit Brandenburg eine Erklärung zu Protokoll gegeben, die vom Bund fordert, dass die Förderung der Stiftung für das sorbische Volk im Bundeshaushalt künftig als institutionelle Förderung ausgewiesen wird.

Mit einer auf Antrag Baden-Württembergs gefassten Entschließung fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, den Lebensunterhalt Geflüchteter bei Aufnahme einer Ausbildung oder eines Studiums verlässlich zu sichern. So sei unbefriedigend und integrationspolitisch kontraproduktiv, dass in bestimmten Konstellationen ausbildungs- oder studienwillige Geflüchtete nach den Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes, Bundesausbildungsförderungsgesetzes und dem Sozialgesetzbuch bei Aufnahme einer dem Grunde nach förderfähigen Ausbildung oder eines ebenso förderfähigen Studiums gleichwohl keine Leistungen mehr erhielten (sog. Förderlücke). Damit stünden sie schlechter als Personen in vergleichbaren ausländerrechtlichen Situationen oder gegenüber solchen Schutzsuchenden, die kein Interesse an Fortbildungsmaßnahmen zeigten. Der Bund sei daher gefordert, die leistungs- oder förderrechtlichen Vorschriften entsprechend anzugleichen. Dabei müsse er allerdings sicherstellen, dass keine Besserstellung gegenüber inländischen Auszubildenden oder Studierenden erfolge.

Sachsen hat die Entschließung nicht unterstützt, da ein – in der Praxis auch gängiger – Rückgriff auf Härtefallreglungen die Sicherung des Lebensunterhalts ausbildungs- oder studienwilliger Geflüchteter in entsprechenden Einzelfällen bereits erlaubt. Die Notwendigkeit einer rechtlichen Anpassung ist daher nicht zwingend gegeben.

Angesichts folgenschwerer Auffahrunfälle durch Lkw besonders auf Bundesautobahnen fordert der Bundesrat mit den Stimmen Sachsens in einer Entschließung eine Modernisierung und Erweiterung der Regelungen zu Notbremsassistenten und Abstandswarnern.

Die Entschließung bekräftigt, dass die häufigste Unfallursache von schweren Nutzfahrzeugen Zusammenstöße mit stehenden Vorausfahrzeugen seien. Technisch ließen sich diese Zusammenstöße vermeiden. Problematisch sei allerdings, dass es keine verpflichtenden rechtlichen Vorgaben zur optimalen Nutzung von Techniken wie Notbremsassistenten gebe. Tatsächlich lägen die gesetzlichen Anforderungen an das Notbremssystem mittlerweile sehr weit unter den aktuellen technischen Möglichkeiten. Die europäischen Vorgaben müssten deshalb dringend angepasst werden.

In diesem Zusammenhang sprechen sich die Antragsteller ausdrücklich dafür aus, dass die Notbrems-Assistenzsystem-Funktion AEBS permanent verfügbar sein muss. Ein manuelles Ausschalten dürfe nicht erlaubt sein. Die weiterhin notwendige Übersteuerbarkeit der AEBS-Bremsfunktion sollte nur durch bewusste Fahrer-Aktion zulässig sein. Außerdem müsste die Identifikation von kollisionsrelevanten Fahrzeugen weiter verbessert und die Kollisionswarnung um eine zeitlich vorgelagerte Abstandswarnung ergänzt werden.

Eine Entschließung der Länder Niedersachsen und Berlin zum »Aufstiegs-BAföG« (auch »Meister-BAföG« genannt) verfehlte im Bundesrat eine Mehrheit und wurde deshalb von der Tagesordnung abgesetzt.

Eine von Niedersachsen und Berlin eingebrachte Entschließung begrüßt einerseits die Absicht des Koalitionsvertrages auf Bundesebene, die Förderbedingungen des »Aufstiegs-BAföG« (auch »Meister-BAföG« genannt) auszubauen, zugleich erhebt diese jedoch Forderungen die über die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages hinausgehen. So fordert die Entschließung unter anderem Lehrgangsentgelte und Prüfungsgebühren vollständig über das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) zu refinanzieren. Hiergegen bestehen jedoch fachliche und rechtliche Bedenken.

Sachsen begrüßt die im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen beim »Aufstiegs-BAföG« und erachtet einen Vorgriff auf Einzelaspekte einer umfassenden Reform nicht als sinnvoll. Sachsen sieht hier zuvor die Bundesregierung mit ihrem angekündigten Gesetzentwurf am Zug.

Der Bundesrat hat mit Unterstützung Sachsens eine Entschließung für die Anhebung von Haftentschädigungen gefasst. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine deutliche Erhöhung der derzeitigen Entschädigungspauschale in Höhe von 25 EUR pro Tag für zu Unrecht erfolgte Strafverfolgungsmaßnahmen vorsieht.

Der Staat gewährt für Freiheitsentziehungen aufgrund gerichtlicher Entscheidungen eine Entschädigung für zu Unrecht erfolgte Freiheitsentziehungen – also wenn in einem Strafverfahren ein Freispruch, eine Einstellung erfolgt ist oder die Eröffnung der Hauptverhandlung abgelehnt wurde. Dies gilt auch, wenn nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens ein Freispruch erfolgt oder die Strafe aufgehoben ist. Neben dem Vermögensschaden wird auch der Ersatz des immateriellen Schadens in Form einer Pauschale in Höhe von 25 EUR von der Entschädigung umfasst. Diese Pauschale wurde zuletzt 2009 von 11 EUR auf 25 EUR erhöht.

Die Pauschale in Höhe von 25 EUR wird als zu niedrig angesehen. Dies geht unter anderem aus einem Forschungsbericht der Kriminologischen Zentralstelle hervor. Der geringe Betrag stellt einen Affront gegen die zu Unrecht verfolgten Menschen dar. Um den Genugtuungs- und Anerkennungsgedanken und die Wertschätzung der grundrechtlich garantierten persönlichen Freiheit zu verdeutlichen, fordern die Länder mit ihrem Entschließungsantrag eine deutliche Erhöhung der Entschädigungspauschale.

Die Entschließung wird nun der Bundesregierung zur Stellungnahme weitergeleitet.

Der Bundesrat hat einen Entschließungsantrag für mehr Sicherheit beim Abbiegevorgang von Nutzfahrzeugen durch Abbiegeassistenzsysteme beschlossen. Der Freistaat Sachsen spricht sich für die Vorlage aus; weitreichendere Maßgaben – wie die Ausweitung der Nachrüstverpflichtung auf Nutzfahrzeuge ab 3,5 t sowie auf Busse – werden von Sachsen und der Mehrheit der Länder jedoch abgelehnt.

Mit der Entschließung fordert der Bundesrat mehr Verkehrssicherheit für Radfahrer und Fußgänger, wobei auf eine verpflichtende Einführung sogenannter Abbiegeassistenzsysteme für Lkw gedrungen wird. Diese warnen den Fahrzeugführer beim Abbiegen vor Radfahrern und Fußgängern und leiten bei Bedarf eine Notfallbremsung ein.

Zur Begründung der Initiative wird darauf verwiesen, dass etwa ein Drittel der jährlich im Straßenverkehr getöteten Radfahrer Opfer von Abbiegeunfällen seien und die Verantwortung in den meisten Fällen bei den Lkw-Fahrern läge.

Die Forderung an die Bundesregierung lautet daher, sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass für Nutzfahrzeuge ab 7,5 t eine Nachrüstpflicht für Abbiegeassistenzsysteme vorgeschrieben wird.

Darüber hinaus sollen Investitionen in diese Assistenzsysteme durch Förderprogramme unterstützt werden, damit das Güterkraftgewerbe diese besser annimmt und sie sich auf dem Markt durchsetzen. Denkbar sei bspw. ein Versicherungsrabatt für entsprechend nachgerüstete Lkws, wofür sich die Bundesregierung sich gegenüber den Versicherern einsetzen soll.

Der Bundesrat hat zum Gesetzentwurf zur Einführung einer Musterfeststellungsklage Stellung genommen. Teil der Stellungnahme sind unter anderem zwei erfolgreiche sächsische Anträge.

Unrechtmäßige Verhaltensweisen von Anbietern hinterlassen oft eine Vielzahl gleichartig geschädigter Verbraucher, insbesondere in einer durch standardisierte Massengeschäfte geprägten Wirtschaft. Gerade bei geringen Nachteilen verzichten Verbraucher häufig aufgrund des unverhältnismäßigen Aufwandes auf die Geltendmachung von Erstattungsansprüchen. Der Gesetzesentwurf möchte dieser misslichen Lage entgegentreten.

Danach sollen eingetragene Verbraucherschutzverbände die Möglichkeit erhalten, das Vorliegen anspruchsbegründender bzw. anspruchsausschließender Voraussetzungen zugunsten der Verbraucher mit Hilfe der Musterfeststellungsklage feststellen zu lassen. Die Klage wird ausschließlich zwischen dem klagenden Verbraucherschutzverband und der beklagten Partei geführt. Die Verbraucher erhalten die Möglichkeit, ihre Ansprüche zu einem Klageregister anzumelden. Hierfür brauchen die Verbraucher keinen Anwalt einzuschalten. Das Urteil wird nach seiner Verkündung im Klageregister öffentlich bekannt gegeben und entfaltet Bindungswirkung für nachfolgende Verbraucherklagen.

Zwei Anträge Sachsens hierzu verliefen erfolgreich. Zum einen spricht sich Sachsen mit der Mehrheit der Bundesländer für eine Evaluation aus, in der untersucht werden soll, ob die kostenlose Anmeldemöglichkeit von Ansprüchen zum Klageregister in missbräuchlicher Weise erfolgt. Zum anderen bittet Sachsen mit der Mehrheit der Bundesländer um Überprüfung, ob eine Regelung sinnvoll ist, welchen Gerichten bei einer Vielzahl von Verfahren mit gleichgelagerten Problemstellungen die Aussetzung des Verfahrens erlaubt bis eine Entscheidung eines anderweitig anhängigen Verfahrens herbeigeführt ist.

Die Bundesregierung erhält nun Gelegenheit zur Gegenäußerung. Der Bundestag hat anschließend über den Gesetzesentwurf zu beraten und Beschluss über die Einführung der Musterfeststellungsklage zu fassen. Die Vorlage wurde fristverkürzt behandelt, damit das Gesetz bis zum 01.11.2018 in Kraft treten kann. Dies ist notwendig, um Geschädigten im VW-Abgasskandal noch vor Fristablauf diesen Weg der Klage zu ermöglichen.

Der Bundesrat hat zu einem Verordnungsvorschlag zur Einrichtung einer Europäische Arbeitsbehörde Stellung genommen.

Mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag soll im Rahmen der »Sozialen Säule« im Zeitraum von 2019 bis 2023 eine »Europäische Arbeitsbehörde« geschaffen werden. Diese soll die Einhaltung und Durchsetzung der EU-Bestimmungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit und zum freien Dienstleistungsverkehr verbessern. Die neue Behörde soll die Leitung des Europäischen Koordinierungsbüros des EURES-Netzes übernehmen und den Fachausschuss für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, den Expertenausschuss für die Entsendung von Arbeitnehmern, den Fachausschuss, den Rechnungsausschuss und den Vermittlungsausschuss der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und die die Europäische Plattform zur Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeit ersetzen.

Der Aufbau der Europäischen Arbeitsbehörde soll im Zeitraum von 2019 bis 2023 erfolgen. Vorgesehen sind 69 Planstellen, 60 abgeordnete nationale Sachverständige und 15 Vertragsbedienstete. Die jährlichen Gesamtkosten ab 2023 sind auf knapp 51 Mio. EUR veranschlagt. Die Behörde soll durch einen Verwaltungsrat beaufsichtigt werden, in dem die Mitgliedstaaten und die Kommission vertreten sind.

Der Freistaat Sachsen unterstützt mit dem Bundesrat das grundsätzliche Anliegen der KOM, die Arbeitnehmerfreizügigkeit weiter zu entwickeln, sieht aber aus Kostengründen und wegen der sich abzeichnenden Doppelstrukturen keine Notwendigkeit zur Etablierung einer Europäischen Arbeitsbehörde oder gar zur Schaffung neuer Kompetenzen der EU, die über Koordinierung und Unterstützung der nationalen Arbeitsbehörden hinausgingen.

Der Bundesrat hat zu einer Mitteilung der Europäischen Kommission zur Bekämpfung von Desinformation im Internet kritisch Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat die kritischen Hinweise des Bundesrates insbesondere in Fragen der Meinungs- und Pressefreiheit unterstützt.

Im Juni 2017 forderte das Europäische Parlament die Kommission auf, die derzeitige Lage und den geltenden Rechtsrahmen im Hinblick auf Falschmeldungen in Internet zu analysieren und zu prüfen, ob sich die Verbreitung gefälschter Inhalte durch legislative Maßnahmen begrenzen lasse. In der Mitteilung werden die Grundsätze zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Desinformationen angeführt sowie ein spezifischer Maßnahmenkatalog abgebildet. Die Kommission kündigt an, bis Dezember 2018 einen Bericht über die erzielten Fortschritte zu erstellen, in dem auch die Notwendigkeit eventueller weiterer Maßnahmen dargelegt werden soll.

Der Freistaat Sachsen unterstützt die kritischen Hinweise des Bundesrates in allen fachlichen Aspekten, insbesondere den unveränderten Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit, das Zensurverbot und die grundsätzliche Lösung der Problems gezielter Falschinformationen auf dem Wege der Freiwilligkeit und Selbstregulierung über die Schaffung von geeigneten Verhaltenskodices.

Nicht verschreibungspflichtige, also rezeptfreie Arzneimittel (sogenannte OTC-Analgetika), die zur Behandlung leichter bis mäßig starker Schmerzen oder von Fieber eingesetzt werden und zum Beispiel die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure, Paracetamol, Ibuprofen, oder Diclofenac enthalten, sollen zukünftig leichter erkennbare Warnhinweise bekommen. Auf der äußeren Umhüllung oder, sofern nur ein Behältnis vorhanden ist, auf dem Behältnis selbst soll ein Warnhinweis aufgebracht werden, dass solche Arzneimittel ohne ärztlichen Rat nicht länger als in der Packungsbeilage angegeben, einzunehmen sind.

Auch diese rezeptfreien Schmerzmittel sind nicht harmlos. Um teilweise schwere Nebenwirkungen wie beispielsweise Blutungen, das Herz-Kreislauf-System betreffende Wirkungen wie Schlaganfälle sowie Leber- und Nierenschäden zu vermeiden, sollten diese Arzneimittel nicht überdosiert oder längerfristig eingenommen werden. Darauf wird zwar in den jeweiligen Packungsbeilagen hingewiesen, jedoch haben Studien gezeigt, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die in Produktinformationen aufgeführten Warnhinweise und Kontraindikationen nicht immer ausreichend beachten.

Gute Aussichten für Rentnerinnen und Rentner: Ab 1. Juli 2018 sollen sie mehr Geld bekommen. Der Bundesrat hat mit den Stimmen Sachsens der Rentenwertbestimmungsverordnung 2018 zugestimmt. Das Bundeskabinett hatte bereits am 28. April beschlossen, die Altersbezüge um mehr als drei Prozent zu erhöhen.

Konkret sollen die Renten im Westen danach um 3,22 Prozent, die im Osten um 3,37 Prozent steigen. Bei einer Standardrente bedeutet das rund 45 Euro mehr im Monat. Möglich wird die Rentenerhöhung durch die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und steigende Löhne. Im Vergleich zu 2016 gab es 2017 einen Lohnzuwachs von 2,93 Prozent im Westen und 3,06 Prozent im Osten.

Aufgrund der Rentenanpassung zum 1. Juli 2018 ergeben sich im Jahr 2018 in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Alterssicherung der Landwirte und der Unfallversicherung Mehraufwendungen von insgesamt rund 5 035 Millionen Euro. Davon entfallen rund 4 813 Millionen Euro auf die gesetzliche Rentenversicherung, rund 42 Millionen Euro auf die Alterssicherung der Landwirte, rund 94 Millionen Euro auf die gesetzliche Unfallversicherung und rund 86 Millionen Euro auf steuerfinanzierte Erstattungen für überführte Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR.

Ab dem Jahr 2019 ergeben sich ausschließlich aus der Rentenanpassung zum 1. Juli 2018 je Jahr Mehraufwendungen von insgesamt rund 10 070 Millionen Euro. Davon entfallen rund 9 625 Millionen Euro auf die gesetzliche Rentenversicherung, rund 84 Millionen Euro auf die Alterssicherung der Landwirte, rund 188 Millionen Euro auf die gesetzliche Unfallversicherung und rund 172 Millionen Euro auf steuerfinanzierte Erstattungen für überführte Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR.

Von den genannten Mehraufwendungen werden im Jahr 2018 rund 219 Millionen Euro und ab dem Jahr 2019 jährlich rund 438 Millionen Euro vom Bund getragen. Von den neuen Ländern werden dem Bund für die Mehraufwendungen der überführten Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der ehemaligen DDR im Jahr 2018 rund 45 Millionen Euro und ab dem Jahr 2019 jährlich rund 90 Millionen Euro erstattet. Im Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2018 und 2019 und im neuen Finanzplan werden jeweils die finanziellen Auswirkungen auf den Bund entsprechend berücksichtigt.

zurück zum Seitenanfang