03.07.2020

992. Bundesratssitzung vom 3. Juli 2020

Wichtigste Themen: Kohleausstieg + Strukturwandel + Mehrjähriger Finanzrahmen + Afrikanische Schweinepest + Adoptionshilfegesetz + Nachtragshaushalt + Hasskriminalität + Entlastung Kommunen + AAÜG + Gebäudeenergiegesetz + Grundrente + Entsenderichtlinie + KfZ-Steuer + Außenwirtschaftsgesetz + Kastenstand

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 992. Sitzung des Bundesrates:

Der Bundesrat hat das Kohleausstiegsgesetz passieren lassen und dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen zugestimmt. Für die Zustimmung zu beiden Gesetzen hatte der Freistaat Sachsen zuletzt verstärkt geworben. Ministerpräsident Kretschmer hatte zu den Gesetzen im Plenum des Deutschen Bundestages gesprochen und um die Zustimmung der Bundestagsabgeordneten geworben. Wirtschaftsminister Dulig sprach im Bundesrat zu den beiden Gesetzen.

Das Kohleausstiegsgesetz setzt den von der Kommission »Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung« vorgeschlagenen Kompromiss zur Abschaltung der deutschen Kohlekraftwerke um. Die Energieversorgung in Deutschland wird damit bis zum Jahr 2038 dekarbonisiert sein. Die Unternehmen erhalten für die vorzeitigen Abschaltungen der Kraftwerke durch den klimapolitisch motivierten Kohleausstieg finanzielle Entschädigungen. Diese werden in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Bundesregierung und Kraftwerksbetreibern festgeschrieben, für den das Kohleausstiegsgesetz nun die gesetzliche Grundlage gibt. Der Abschaltpfad sieht vor, dass das erste Kraftwerk noch im Jahr 2020 vom Netz geht. Das letzte Kraftwerk wird spätestens im Jahr 2038 abgeschaltet. Zudem wird im Rahmen einer umfassenden Revision in den Jahren 2026, 2029 und 2032 geprüft, ob der Stilllegungszeitpunkt für die Braunkohleanlagen nach dem Jahr 2030 jeweils drei Jahre vorgezogen und damit das Abschlussdatum 2035 erreicht werden kann.

Durch die Abschaltung der Kraftwerke entfallen in den Kohleregionen Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Zur Kompensation erhalten die Kohlereviere (Rheinisches Revier, Mitteldeutsches Revier und Lausitzer Revier) Strukturhilfen. Das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen sieht für die Braunkohle-Länder, von denen Sachsen als einziges Land mit zwei Revieren betroffen ist, bis zum Jahr 2038 Finanzhilfen in Höhe von bis zu 14 Mrd. Euro für landeseigene und kommunale Investitionsvorhaben der Strukturentwicklung vor. Außerdem sollen Maßnahmen des Bundes in Höhe von bis zu 26 Mrd. Euro (z. B. Verkehrsprojekte, Ansiedlung von Behörden und Forschungseinrichtungen des Bundes, aber auch die Schaffung oder Aufstockung von Bundesförderprogrammen aus Strukturstärkungsmitteln) eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Braunkohleregionen sicherstellen. Sachsen hatte sich insbesondere für zahlreiche Verkehrsprojekte und Forschungseinrichtungen stark gemacht.

Der Bundestag hatte beide Gesetze erst am 3. Juli 2020 beschlossen. Nach einer Fristverkürzung konnte der Bundesrat abschließend hierzu beraten. Das Strukturstärkungsgesetz tritt aufgrund einer Koppelung beider Gesetze nach Verkündung des Kohleausstiegsgesetzes in Kraft.

Der Bundesrat hat zu den Mitteilungen »Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen« und »Der EU-Haushalt als Motor für den Europäischen Aufbauplan« sowie zu einem Vorschlag für eine »Verordnung des Rates zur Festlegung des Mehrjährigen Finanzrahmens für die Jahre 2021 bis 2027« der Europäischen Kommission Stellung genommen.

Hintergrund der beiden Mitteilungen sowie des Verordnungsvorschlags sind die massiven Schäden, die die Corona-Pandemie in den Sozial- und Gesundheitssystemen, in den Gesellschaften und Volkswirtschaften in Europa und der Welt verursacht hat.

Die Kommission schlägt daher einen historisch einmaligen Wiederaufbauplan auf Grundlage von Solidarität, Zusammenhalt und Konvergenz vor. Hierfür legt sie ein neues Instrument zur Konjunkturbelebung mit dem Namen »Next Generation EU« auf. Die Kommission beabsichtigt dieses, mit Mitteln in Höhe von 750 Milliarden Euro auszustatten. Zugleich soll der EU-Haushalt – der Mittelfristige Finanzrahmen – für den Zeitraum von 2021 bis 2027 überarbeitet werden und rund 1100 Milliarden Euro betragen. Diese insgesamt 1,85 Billionen Euro sollen über zahlreiche EU-Förderprogramme bereitgestellt werden. Damit Europa aus der Krise gestärkt hervorgeht, soll das Wiederaufbauprogramm, die grüne und digitale Wende beschleunigen und nachhaltig dazu beitragen, ein gerechteres und widerstandsfähigeres Europa aufzubauen.

Die Länder begrüßen die Vorschläge der Kommission und halten diese für das richtige Signal: Sie bekräftigen, dass Europa zusammenstehen müsse, um die weitreichenden Folgen der Pandemie gemeinsam anzugehen, sich als starker globaler Akteur zu behaupten und diesen Moment Europas zu nutzen, um für die kommenden Generationen entscheidende Weichenstellungen zu treffen. Darüber hinaus müsse der Wiederaufbau auf den Grundrechten und auf der uneingeschränkten Achtung der Rechtsstaatlichkeit basieren. Sie fordern daher, den Verordnungsvorschlag zum Schutz des Haushalts der Union im Fall von generellen Mängeln in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit in einer rechtssicheren und wirksamen Form umzusetzen.

Der Bundesrat unterstützt die Haltung der Kommission, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, mit dem Instrument »Next Generation EU« die wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit in der EU voranzutreiben und öffentliche Investitionen in den Wiederaufbau unter dem Credo »keinen Schaden anrichten« anzustoßen.

Der Freistaat Sachsen hat gemeinsam mit Rheinland-Pfalz und Brandenburg einen Gesetzesantrag zur Änderung des Tiergesundheitsgesetzes in den Bundesrat eingebracht, den dieser in einer sofortigen Sachentscheidung beschlossen hat.

Hintergrund der Initiative ist, dass Sachsen es den zuständigen Behörden ermöglichen will feste Umzäunungen und Absperrungen zum Schutz vor Übertragung der Afrikanischen Schweinepest (ASP) zu errichten, bevor sich erkrankte oder verdächtige Tiere im betroffenen Gebiet aufhalten. Nach geltender Rechtslage muss für die Errichtung eines festen Zaunes mindestens eine Pufferzone ausgewiesen werden. Dies zieht jedoch bereits wirtschaftliche Konsequenzen für die tierhaltenden Betriebe in diesem Gebiet nach sich, da per Definition die Seuchenfreiheit des betroffenen Gebietes aufgehoben würde. Zudem müssten noch zusätzliche, strenge Anforderungen hinsichtlich des Vorhandenseins möglicherweise ASP infizierter Wildschweine erfüllt sein. Dies widerspricht nach der Ansicht Sachsens dem Präventionsgedanken solcher Maßnahmen.

Sachsen sieht aktuell diese Notwendigkeit insbesondere in grenznah zu Polen gelegenen Gebieten. In Polen wurde ein ASP-Virus positives Wildschwein nur wenig mehr als zehn Kilometer von der deutschen Grenze entfernt gefunden. Daher ist zu befürchten, dass auch in anderen Gebieten Polens in Grenznähe zu Deutschland bereits infizierte Wildschweine zu finden sind. Aufgrund der Corona-Krise ist die Bekämpfung der ASP in Westpolen derzeit fast vollständig zum Erliegen gekommen. Der Freistaat Sachsen hatte im Januar begonnen, auf den 128 km der Grenze zu Polen Wildschweinbarrieren zu errichten. Die Kosten von 250.000 EUR trug der Freistaat Sachsen. Aufgabe der Barriere, ein ca. 75 cm hohes Elektronetz mit Duftkomponente, ist es durch optische und tatsächliche Reize Wildschweine in ihrem natürlichen Wanderungsverhalten zu beeinflussen.

Ein Vorteil der gewählten Bauart ist, dass sie schnell und flexibel umzusetzen war und einen vergleichsweise geringen Eingriff in die örtlichen und natürlichen Gegebenheiten nötig machte. Sie ist nicht als dauerhafte Lösung über Jahre anzusehen. Um einen festen und dauerhaften Zaun zu errichten, der auch in Eigentumsrechte Dritter eingreift, ist eine gesetzliche Grundlage notwendig. Diese soll durch die Bundesratsinitiative geschaffen werden.

Der Bundesrat hat die Initiative in einem sofortigen Sachentscheid beschlossen. Sie wird nun dem Deutschen Bundestag zugeleitet.

Das Adoptionshilfegesetz hat im Bundesrat keine Stimmenmehrheit auf sich vereinen können. Da es sich bei dem Gesetz um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, kann es somit nicht in Kraft treten. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz hat ebenfalls keine Mehrheit gefunden. Der Freistaat Sachsen hat sich in beiden Fragen koalitionsbedingt enthalten.

Die wesentlichen Inhalte des Gesetzes sind eine bessere Beratung und Unterstützung vor, während und nach der Adoption, die Unterstützung eines offeneren Umgangs mit Adoptionen und die Eindämmung unbegleiteter Adoptionen aus dem Ausland.

Im Laufe der Beratungen im Bundesrat wurde deutlich, dass der Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages nicht die Zustimmung der Mehrheit der Länder im Bundesrat auf sich vereinen konnte. Konkret erwarten die Länder, die das Gesetz in der derzeitigen Fassung ablehnen, den Verzicht auf eine Beratungspflicht bei Stiefkindadoptionen in Zwei-Mütter-Ehen und auch die Streichung der Möglichkeit für die Adoptionsvermittlungsstelle, sich zu einer geplanten Adoption in solchen Fällen gegenüber dem Familiengericht fachlich äußern zu dürfen.

Nachdem das Gesetz im Bundesrat gescheitert ist, haben nun die Bundesregierung und der Bundestag die Möglichkeit den Vermittlungsausschuss zum Gesetz anzurufen. Tun sie dies nicht, ist das Gesetz gescheitert.

Der Bundesrat hat das »Gesetz über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2020 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2020)« und das Gesetz über begleitende Maßnahmen zur Umsetzung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets passieren lassen. Der Freistaat Sachsen hat diese Entscheidung unterstützt.

Mit dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2020 werden die finanziellen Ermächtigungen zur schnellen Umsetzung der Maßnahmen aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung vom 3. Juni 2020 geschaffen bzw. die aus steuerlichen Entlastungen resultierenden Steuermindereinnahmen nachvollzogen. Insgesamt erhöhen sich die Ausgaben mit dem Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz auf rund 509,3 Milliarden Euro.

Um kurzfristig konjunkturelle Impulse zu setzen und Folgen der Krise zu bewältigen, werden neben steuerlichen Entlastungen insbesondere

  • 25 Milliarden Euro für Überbrückungshilfen zur Existenzsicherung kleiner und mittelständischer Unternehmen,
  • drei Milliarden Euro von insgesamt zehn Milliarden Euro für vorgezogene Investitionen,
  • zwei Milliarden Euro für den Ausbau von Ganztagsschulen, Ganztagsbetreuung und Kindertagesbetreuung
  • und weitere 250 Millionen Euro zu Unterstützung regionaler Wirtschaftsstrukturen bereitgestellt.

Die Finanzkraft der Länder und Kommunen wird durch Mittel für die Kompensation von Gewerbesteuerausfällen, zur Unterstützung bei der Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs und für die höhere Übernahme von Kosten der Unterkunft in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestärkt. Zur Verbesserung der Liquiditätssituation des durch Beitragsmindereinnahmen und Mehrausgaben stark belasteten Gesundheitsfonds und der sozialen Pflegeversicherung leistet der Bund kurzfristig ergänzende Bundeszuschüsse in Höhe von insgesamt 5,3 Milliarden Euro. Zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen werden dem Energie- und Klimafonds für entsprechende Maßnahmen rund 26 Milliarden Euro zugewiesen. Davon dienen elf Milliarden Euro der Senkung der EEG-Umlage. Große außeruniversitäre Forschungseinrichtungen werden bereits im Jahr 2020 mit 500 Millionen Euro unterstützt. Die Deutsche Bahn AG wird mit fünf Milliarden Euro gestärkt. Für internationale Maßnahmen werden zusätzlich rund 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt.

In seinen Beratungen hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zusätzlich ein Programm in Höhe von 200 Mio. EUR für Überbrückungshilfen für (semi-) professionelle Sportvereine und Spitzenverbände beschlossen. Mit diesen Überbrückungshilfen sollen die Vereine der 1. und 2. Ligen und beim Fußball der 3. Liga Einnahmeausfälle bei ihren Ticketeinnahmen bis zu 80 % ausgleichen können.

Das Gesetz über die begleitenden Maßnahmen dient dazu, flankierend zügig einige erforderliche gesetzliche Grundlagen zu schaffen, um die mit dem Programm intendierten Impulse schnell wirksam werden zu lassen. So sollen die Ziele des Nachtragshaushaltes rasch umgesetzt werden können. Es umfasst unter anderem eine zusätzliche Bereitstellung von 5 Mrd. Euro im Sondervermögen zum Ausbau der Mobilinfrastruktur, eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel um 2,5 Mrd. Euro zur Unterstützung des öffentlichen Nachverkehrs in den Kommunen sowie eine Milliarde Euro für den Ausbau des Betreuungsangebotes in Kindertageseinrichtungen. Nicht zuletzt soll die Möglichkeit geschaffen werden, die EEG-Umlage durch Ausgleichsleistungen zurückzuführen, um den Stromverbraucher hier finanziell zu entlasten.

Beide Gesetze wurden fristverkürzt beschlossen, damit die vorgesehen Hilfen rasch bei denen ankommen, die von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise betroffen sind. Gleichzeitig sollen starke Impulse für eine Wirtschaftsbelebung von den Gesetzen ausgehen.

Der Freistaat Sachsen hat gemeinsam mit dem Saarland eine Protokollerklärung zu einer Verlängerung der Fristen für das Investitionsprogramm »Kinderbetreuungsfinanzierung« 2020 – 2021 abgegeben.

Der Bundesrat hat das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität mit der Unterstützung Sachsens passieren lassen. Der Bundesrat hatte zum Gesetzentwurf im März umfangreich Stellung genommen. Diese Stellungnahmen wurden im weiteren Gesetzgebungsverfahren teilweise berücksichtigt.

 Das Gesetz bezweckt die Bekämpfung der anwachsenden Verrohung der Kommunikation im Internet, eine erweiterte Strafverfolgung von Straftaten im Internet sowie die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität. Denn diffamierende Inhalte und ehrverletzende Äußerungen stellen im digitalen Raum ein zunehmend schwerwiegendes Problem dar. Vorgesehen sind insbesondere Änderungen des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes.

Anbieter sozialer Netzwerke wie Facebook werden verpflichtet, ein System einzurichten, wonach bestimmte strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt (BKA) zu melden sind. In der Vergangenheit kam es regelmäßig nur zum Löschen strafrechtlich relevanter Inhalte.

Im Strafgesetzbuch sollen antisemitische Motive des Täters ausdrücklich als weiteres Beispiel für menschenverachtende Beweggründe und Ziele genannt werden, die bei der Strafzumessung besonders zu berücksichtigen sind. Diese Änderung geht auf eine Initiative von Sachsen und weiterer Länder im Bundesrat zurück, die vom Gesetz nunmehr aufgegriffen wurde.

Der Tatbestand im Strafgesetzbuch zur üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens wird auf alle Politikerinnen und Politiker bis hin zur kommunalen Ebene erweitert. Bislang genossen Kommunalpolitiker keinen besonderen Schutz, obwohl sie sich als Repräsentanten des Volkes im Fokus der Aufmerksamkeit befinden. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht davon, dass sich tätliche Angriffe auf kommunale Mandatsträger in den letzten zwei Jahren um 25 % erhöht hätten. Beschimpfungen und Bedrohungen seien in 40 % aller Kommunen an der Tagesordnung. Auch hier greift das Gesetz eine Initiative der Länder im Bundesrat auf, die von Sachsen unterstützt wurde.

Zudem hat Sachsen im Bundesrat bereits im März eine Initiative zur besseren Verfolgung strafbarer Inhalte in sozialen Netzwerken unterstützt. Das nunmehr beschlossene Gesetz tritt größtenteils nach seiner Verkündung in Kraft. Die neuen Regelungen zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz treten zehn Monate nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104a und 143h) und den Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Entlastung der Kommunen und der neuen Länder im 1. Durchgang beraten.

Die Gesetze enthalten folgende Maßnahmen zur Entlastung der Kommunen und der neuen Länder, die im Konjunkturpaket der Bundesregierung vom 3. Juli enthalten waren:

  • Der Bund will von den Kommunen für Bezieher von Sozialleistungen künftig dauerhaft 74 % der Kosten der Unterkunft (KdU) übernehmen, statt wie bisher rd. 49 %. Damit werden die Kommunen um rd. 3,4 Mrd. € entlastet. Hierfür bedarf es einer Änderung des Grundgesetzes.
  • Die für dieses Jahr zu erwartenden Ausfälle bei der Gewerbesteuer von rund 12 Milliarden Euro sollen je zur Hälfte von Bund und Ländern übernommen werden. Die Länder erhalten vom Bund einen pauschalen Ausgleich in Höhe von rd. 6,134 Mrd. € in 2020 zur Weitergabe an die Kommunen. Einschließlich des Anteils des Freistaates sollen die sächsischen Kommunen als Ausgleich ihrer Gewerbesteuermindereinnahmen in 2020 einen Ausgleich in Höhe von 312 Mio. € erhalten. Auch für diese Maßnahme wird eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen.
  • Für Kosten aus den Zusatzversorgungssystemen der DDR stockt der Bund seinen Anteil von derzeit 40 % ab dem 1.1.2021 auf 50 % auf. Dies entlastet die Neune Länder allein im Jahr 2021 um rd. 350 Mio. €.

In ihrer Stellungnahme fordern die Länder den Bund insbesondere auf, den Bundesanteil an den Kosten der Unterkunft von 74 auf 74,9 Prozent zu erhöhen. Die Länder sind der Meinung, dass dies den Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, dass der Bund nämlich »bis zu 75 Prozent« der KdU übernimmt, besser gerecht würde.

Den Änderungen des Grundgesetzes müssen sowohl der Deutsche Bundestag als auch der Bundesrat mit einer 2/3 Mehrheit zustimmen.

Der Bundesrat hat das Energieeinsparrechts für Gebäude mit Unterstützung des Freistaates Sachsen passieren lassen. Eine ebenfalls zur Abstimmung gestellte Entschließung wurde von Sachsen nur teilweise mitgetragen.

Mit dem Gesetzentwurf sollen die bisherigen Regelungen von Energieeinsparungsgesetz, Energieeinsparverordnung und Erneuerbare-Energien Wärmegesetz zusammengeführt werden. Ferner werden mit dem Gebäudeenergiegesetz die europäischen Vorgaben zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden umgesetzt und die Regelung des Niedrigstenergiegebäudes in das vereinheitlichte Energieeinsparrecht integriert. Des Weiteren werden Eckpunkte des Klimaschutzprogrammes 2030 in Bezug auf Gebäude umgesetzt.

Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, den Primärenergiebedarf von Gebäuden zu minimieren. Beabsichtigt ist deshalb ein neues, einheitliches Regelwerk für die energetischen Anforderungen an Neubauten, Bestandsgebäuden und den Einsatz erneuerbarer Energien zu ihrer Wärme- und Kälteversorgung. Der Energiebedarf eines Gebäudes soll von vorneherein durch einen energetisch hochwertigen baulichen Wärmeschutz (insbesondere durch gute Dämmung, gute Fenster und Vermeidung von Wärmebrückenverlusten) sowie eine effiziente Anlagentechnik begrenzt werden. Der verbleibende Energiebedarf soll zunehmend durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass ab dem Jahr 2026 der Einbau von Ölheizungen grundsätzlich verboten sein soll. Gas- und Ölheizungen, die seit 1991 eingebaut oder aufgestellt wurden, sollen nur 30 Jahre lang betrieben werden dürfen. Außerdem ist eine Austauschprämie für diejenigen vorgesehen, die ihre alte Ölheizung durch ein klimafreundlicheres Modell ersetzen lassen. Angedacht ist ferner eine obligatorische Energieberatung bei bestimmten Sanierungen und beim Verkauf eines Ein- oder Zweifamilienhauses. Sachsen lehnt sowohl weitere Verschärfungen der Regelungen über Ölheizungen als auch eine Zwangsenergieberatung ab.

Im 1.Durchgang hatte Sachsen nur wenige Punkte der Stellungnahme des Bundesrates unterstützt. Weitergehende Gesetzesverschärfungen, insbesondere zu Ölheizungen, lehnte der Freistaat Sachsen ab.

Im Gesetzgebungsverfahren sind noch Regelungen zur Änderung des Erneuerbaren Energien-Gesetzes (EEG), wie die Abschaffung des 52-GW Ausbaudeckels für Photovoltaikanlagen und die Möglichkeit für die Länder, landesgesetzlich Mindestabstände von höchstens 1000 Metern für Windenergieanlagen vorzusehen, hinzugekommen. Die Sächsische Staatsregierung hatte sich bereits im Koalitionsvertrag geeinigt für neue Windkraftanlagen einen Mindestabstand von 1000 Meter zur Wohnbebauung festzulegen.

Der Bundesrat hat dem Grundrentengesetz mit den Stimmen des Freistaates Sachsen zugestimmt.

Das Gesetz enthält die Einführung einer Grundrente sowie Freibeträge in der Grundsicherung im Alter und Verbesserungen beim Wohngeld. Mit der Grundrente werden geringe Verdienste mit einem Zuschlag künftig rentenrechtlich stärker aufgewertet. Voraussetzung für den vollen Zuschlag in der Rente sind 35 Beitragsjahre mit Grundrentenzeiten, d.h. vor allem Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Einen reduzierten Zuschlag können Berechtigte bereits ab 33 Jahren Grundrentenzeiten erhalten. Einkommen oberhalb eines Einkommensfreibetrags werden auf die Grundrente angerechnet. Die Zahlung des Zuschlags erfolgt automatisch, ein Antrag ist also nicht erforderlich.

Das Grundrentengesetz bedeutet für die Verwaltung einen enormen Kraftakt, da nicht nur die Neurentner ab 1. Januar 2021 von der Grundrente profitieren sollen, sondern auch einige der Millionen Bestandsrentner. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2021 werden deshalb nicht sofort sämtliche Berechtigte in den Genuss des Zuschlags kommen können: Die Neurentner werden ihrer Grundrente beginnend ab Juli 2021 erhalten. Die Verwaltung wird die bestehenden Renten sukzessive bis zum 31.Dezember 2022 überprüfen, wobei zunächst die lebensältesten Berechtigten die Grundrente erhalten sollen. Höhere Renten werden in jedem Fall rückwirkend ab 1. Januar 2021 gezahlt.

Außerdem wird als Anreiz für den Aufbau einer zusätzlichen arbeitgeberfinanzierten betrieblichen Altersversorgung bei Geringverdienern mit einem monatlichen Bruttoarbeitslohn bis zu 2.575 Euro der Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung von derzeit maximal 144 Euro auf maximal 288 Euro erhöht. Die Einkommensgrenze, bis zu der man den vorgenannten Förderbetrag erhält, wird von derzeit 2.200 Euro auf 2.575 Euro brutto angehoben, wovon potentiell 2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren werden. Schließlich wird der Förderhöchstbetrag für den Arbeitgeber von 480 Euro auf 960 Euro verdoppelt.

Das Gesetz wurde im Bundesrat fristverkürzt beschlossen, nachdem der Deutsche Bundestag das Gesetz am Tag zuvor beschlossen hatte.

Der Bundesrat hat die sogenannte Entsenderichtlinie passieren lassen. Damit kann die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht wie geplant in Kraft treten.

Ziel des Gesetzes mit dem sperrigen Titel »Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 zur Änderung der Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen« ist es, die unionsrechtlich geschützte Dienstleistungsfreiheit und den Schutz der grenzüberschreitend entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer miteinander ins Verhältnis zu bringen. Die Umsetzungsmaßnahmen sind ab dem 30. Juli 2020 anzuwenden. Durch die Änderungs-Richtlinie wird der Katalog der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Entsendungsfälle erweitert und der Begriff »Entlohnung« ersetzt den Begriff »Mindestlohnsätze«. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die länger als zwölf Monate entsandt werden, gelten grundsätzlich die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Ziellandes.

Der Bundesrat hat in seiner heutigen Sitzung trotz teilweise bestehender Bedenken darauf verzichtet, zu dem Gesetzesbeschluss aus dem Deutschen Bundestag den Vermittlungsausschuss anzurufen. Sachsen hat diese Haltung unterstützt.

Der Bundesrat hat mit sächsischer Unterstützung die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes passieren lassen.

Ziel des Gesetzes ist es, im Falle von kritischen Unternehmenserwerben durch Staaten von außerhalb der Europäischen Union künftig einen wirksamen Schutz der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten zu können. Insbesondere soll ein Abfluss sicherheitskritischer Technologie verhindert werden.

Das Außenwirtschaftsgesetz wird dazu an EU-Vorgaben zur Prüfung ausländischer Direktinvestitionen angepasst. Künftig werden bei Prüfungen auch mögliche Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder Auswirkungen auf Projekte oder Programme von EU-Interesse berücksichtigt.

Im Gesetzgebungsverfahren wurde erreicht, dass die Vorprüffrist von drei auf nur noch zwei Monate reduziert wird. Damit wird der ganz überwiegende Teil der Unternehmen, bei denen das Verfahren schon während der Vorprüfung abgeschlossen wird, entlastet. Das schafft Planungssicherheit und sorgt dafür, dass Deutschland weiter ein offener und attraktiver Investitionsstandort bleiben wird.

Mit der Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes wird zudem die EU-Screening Verordnung eins zu eins umgesetzt. Das ermöglicht eine effektive europäische Zusammenarbeit bei der Investitionskontrolle.

Der Bundesrat hat keine Einwendungen gegen den »Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes« im 1. Durchgang erhoben.

Das 7. Kraftfahrzeugsteueränderungsgesetz enthält folgende wesentliche Regelungen:

  • Stärkere Gewichtung der CO2-Prüfwerte im Steuertarif für erstzugelassene Pkw: Um einen stärkeren Anreiz für emissionsärmere Fahrzeuge zu setzen, werden für Pkw-Erstzulassungen ab dem 1.1.2021 gestaffelte Steuersätze eingeführt: Je höher der CO2-Wert, desto höher der Steuersatz. So steigt der Steuersatz von 2 Euro je g/km in der Stufe 1 (über 95 g/km bis zu 115 g/km) auf 4 Euro je g/km in der Stufe 6 (über 195 g/km).
  • Förderung von emissionsärmeren Pkw: Gefördert wird auch der Umstieg auf besonders emissionsarme Pkw mit Verbrennungsmotoren. Pkw mit einem CO2-Wert bis 95 g/km, die vom 12.6.2020 bis zum 31.12.2024 erstmals zugelassen werden, erhalten für einen Zeitraum von maximal 5 Jahren eine Steuervergünstigung von 30 Euro pro Jahr. Die Steuervergünstigung wird längstens bis zum 31.12.2025 gewährt.
  • Zur Förderung des Umstiegs auf elektrische Antriebe sieht der Gesetzentwurf eine Verlängerung der zehnjährigen Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für bis Ende 2025 erstzugelassene reine Elektrofahrzeuge vor. Die Steuerbefreiung gilt jedoch längstens bis 31. Dezember 2030.
  • Mit der Abschaffung der Sonderregelung des § 18 Absatz 12 KraftStG für bestimmte leichte Nutzfahrzeuge werden insbesondere mittelständische Betriebe entlastet. Kleintransporter bis zu 3,5 t werden künftig nach den gewichtsbezogenen Steuerklassen für Nutzfahrzeuge besteuert.
  • Verzicht auf die obligatorische Abgabe einer Einzugsermächtigung bei Zulassung reiner Elektrofahrzeuge im Zeitraum der Steuerbefreiung.

Das Gesetz wird nach der Behandlung im Bundesrat nun dem Deutschen Bundestag zugeleitet.

Der Bundesrat hat der Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im dritten Anlauf mit Maßgaben zugestimmt. Der Freistaat Sachsen hat dem ausgehandelten Kompromissvorschlag zur Verordnung zugestimmt.

Dieser Kompromiss sieht folgende Punkte vor:

Zukünftig wird die Kastenstandhaltung im Abferkelbereich abgeschafft. Die Tiere dürfen künftig nur noch bis zu 4 Tage im Deckzentrum fixiert werden. Die Platzanforderung für den Deckbereich wird auf 5 m² pro Sau vergrößert. Für den Umbau des Deckzentrums wird den Haltern eine achtjährige Übergangsfrist unter der Voraussetzung gewährt, dass der Tierhalter sowohl ein Umbaukonzept (3 Jahre) als auch den Bauantrag (5 Jahre) fristgemäß vorlegt. Während dieser Übergangszeit (8 Jahre) muss der Kastenstand im Deckzentrum so gestaltet sein, dass die Sau mit den Beinen nicht an bauliche Hindernisse stoßen kann. Darüber hinaus werden weiter Anforderungen an den Kastenstand gestellt.

Um eine nachhaltige und besonders tierschutzgerechte Umstellung der sauenhaltenden Betriebe zu unterstützen, wird die Bundesregierung den Umbau mit einem Bundesprogramm in Höhe von 300 Mio. EUR fördern. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Tierwohls in Tierhaltungsanlagen (BR-Drucksache 345/20) werden dafür baurechtliche Erleichterungen für gewerbliche Betriebe geschaffen.

Nach einem Urteil des OVG Sachsen-Anhalt von 2015 und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom November 2016 verstößt die Haltung von Sauen in den heute üblichen Kastenständen i. d. R. gegen die in der Tierschutznutztier-VO festgelegten Mindestbedingungen. Aufgrund der unsicheren Rechtslage fanden seit 2015 faktisch keine Investitionen im Bereich der Schweinezucht mehr statt. Die Neufassung der Verordnung in Bezug auf die Haltung von Sauen ist daher dringend erforderlich, um den Tierhaltern Planungs- und Investitionssicherheit zu geben und gleichzeitig den Tierschutz zu verbessern.

Die nun vorgeschlagenen Neuregelungen stellen einen weitgehenden Kompromiss zwischen den Forderungen nach mehr Tierschutz, den Expertenmeinungen und den Interessen der Tierhalter unter Beachtung des OVG-Urteils aus dem Jahr 2015 dar.

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