22.04.2021

1003. Bundesratssitzung vom 22. April 2021

Wichtigste Themen: Viertes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:

Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 1003. Sitzung des Bundesrates.

Der Bundesrat hat das »Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite« passieren lassen. Es kann somit im beschleunigten Verfahren am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Der Deutsche Bundestag hatte das Gesetz erst am Vortag beschlossen. Der Bundesrat war für den Beschluss zum Gesetz zu einer Sondersitzung zusammengekommen. Der Freistaat Sachsen machte in einer Protokollerklärung deutlich, dass er die Bestrebungen nach bundesweit einheitlichen Maßnahmen zur erfolgreichen Bekämpfung der COVID-19-Pandemie unterstützt, bei der praktischen Ausgestaltung jedoch Verbesserungsmöglichkeiten sieht.

So ist der Freistaat Sachsen weiterhin der Auffassung, dass es unabdingbar ist, sich neben den Inzidenzwerten auch an weiteren Indikatoren zu orientieren. Hierdurch könnte auch die Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen erhöht werden. Zum Beispiel hätte die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems bzw. die Auslastung der Krankenhäuser zusätzlich mit einem Bettenindikator einbezogen werden sollen.

Bei der die Anordnung von Schulschließungen bei einem Inzidenzwert von 165 sieht der Freistaat eine Überlagerung der Bildungshoheit der Länder. Er betont, dass sich die bisherigen differenzierten Regelungen im Bildungsbereich bewährt haben. Darüber hinaus betont der Freistaat, dass gerade die Hochschulen ihrer Verantwortung, Infektionsschutz und akademischen Auftrag in Einklang zu bringen, im Rahmen der Hochschulautonomie bislang in vorbildlicher Weise gerecht geworden sind. Der Freistaat Sachsen geht deshalb davon aus, dass insbesondere Labortätigkeiten, Praktika, praktische und künstlerische Ausbildungsabschnitte sowie Prüfungen an den Hochschulen in Auslegung des Gesetzes auch bei einer Überschreitung des Schwellenwertes von 165 weiterhin in Präsenz möglich sind.

Der Freistaat Sachsen ist davon überzeugt, dass Eingriffe in den unmittelbar privaten Lebensbereich der Menschen nicht überproportional gegenüber sonstigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie erfolgen dürfen. Insbesondere Ausgangsbeschränkungen könnten insoweit, auch unter Berücksichtigung der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung, nur das allerletzte Mittel nach Ausschöpfung aller anderen geeigneten Maßnahmen der Pandemiebekämpfung sein.

Aus Sicht des Freistaats Sachsen wäre aus diesen Gründen eine Anrufung des Vermittlungssauschusses (VA) angezeigt. Nur angesichts der dramatischen pandemischen Situation, des mit einer VA-Anrufung verbundenen Zeitverzuges und der nun vorgesehenen Befristung der Maßnahmen bis zum 30. Juni 2021 sieht der Freistaat Sachsen von einer Anrufung des Vermittlungsausschusses ab.


Das Gesetz, das auf eine Koalitionsinitiative der Regierungsparteien im Deutschen Bundestag zurückgeht, soll eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes ermöglichen. Der ursprüngliche Entwurf des Gesetzes wurde im parlamentarischen Verfahren des Deutschen Bundestages an einigen Stellen geändert. Hierbei wurden u.a. auch Forderungen des Freistaates Sachsen umgesetzt.

Als wichtigste Regelung enthält das Gesetz eine sogenannte »Notbremse« die an die Inzidenz von Neuinfektionen mit dem Coronavirus gekoppelt ist. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die 7-Tage Inzidenz den Schwellenwert von 100 sollen künftig bundeseinheitliche Regelungen greifen.

Zu diesen Regelungen zählen Kontaktbeschränkungen (Treffen sind nur noch zwischen einem Haushalt und einer weiteren Person zulässig), Ausgangssperren in der Zeit von 22 bis 5 Uhr, die Schließung von Freizeiteinrichtungen, Ladengeschäften und kulturellen Einrichtungen und eine Maskenpflicht im öffentlichen Personennah- und Fernverkehr. Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken dürfen ab Überschreiten des Schwellenwerts nicht zur Verfügung gestellt werden. Auch die Ausübung von Gastronomie ist ab dem Schwellenwert untersagt. Zulässig bleiben die Abgabe und die Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken. Die Regelungen sollen außer Kraft treten, wenn der Inzidenzwert von 100 an fünf aufeinander folgenden Werktagen unterschritten wird.

Das Gesetz sieht ferner eine Ausweitung der Kindkranktage in § 45 Abs. 2a SGB V vor. Pro Kind besteht der Anspruch bei Schul- und Kitaschließungen für das Kalenderjahr 2021 längstens für 30 (statt wie bisher für 20) Arbeitstage, für Alleinerziehende für 60 (statt 40) Arbeitstage. Diese Änderung des SGB V tritt bereits mit Wirkung vom 18. Januar 2021 in Kraft, während das Gesetz im Übrigen am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt.

Bei den Beratungen im Bundestag wurden u. a. die folgenden Ausnahmen bzw. Änderungen im Gesetz aufgenommen:

  • Bei der Ausgangssperre gilt nun eine Ausnahme für abendliche Spaziergänge bzw. sportliche Aktivitäten zwischen 22 bis 24 Uhr die allein und außerhalb von Sportanlagen stattfinden.
  • Bei der Schließung von Freizeiteinrichtungen wurden Ausnahmen für Autokinos und die Außenbereiche von zoologischen und botanischen Gärten ins Gesetz aufgenommen. Diese dürfen geöffnet werden, wenn angemessene Schutz- und Hygienekonzepte eingehalten werden und beim Besuch ein negativer Coronatest vorgelegt wird, der nicht älter als 24 Stunden sein darf.  
  • Nach den Änderungen bleiben auch die Möglichkeiten für die Abholung vorbestellter Waren (Click&Collect) erhalten. Bis zu einer Inzidenz von 150 bleibt auch die Möglichkeit des Besuchs von Ladengeschäften nach vorheriger Terminbuchung (Click&Meet) erhalten. Voraussetzung ist hierbei ein gültiger negativer Coronatest, der nicht länger als 24 Stunden zurückliegt.  
  • Bei den Einschränkungen zur Sportausübung bilden Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einen Sonderfall. Diesen wird in Gruppen bis zu fünf Kindern kontaktloser Sport unter freiem Himmel ermöglicht.
  • Weitere Einschränkungen sind für den Schulbetrieb vorgesehen. So sollen Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen ab einem Inzidenzwert von 165 den Präsenzunterricht einstellen müssen. Ab einer Inzidenz von 100 soll nur noch Wechselunterricht stattfinden. Ausnahmen können die Länder für Abschlussklassen und Förderschulen treffen. Außerdem sieht das Gesetz eine Teststrategie für Schüler und Lehrer vor. Zweimal wöchentlich sollen diese auf das Coronavirus getestet werden, um am Präsenzunterricht teilnehmen zu dürfen.
  • Nach den Beratungen im Bundestag enthält das Gesetz nun auch eine Regelung für das verpflichtende Angebot von Homeoffice. Der Arbeitgeber hat hiernach den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben hiernach dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.
  • Darüber hinaus wird die Bundesregierung ermächtigt Rechtsverordnungen zu erlassen die Erleichterungen oder Ausnahmen für Personen beinhalten, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auszugehen ist. Die Verordnungen bedürfen der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates.
  • Nach den Änderungen im Bundestag erhält die »Notbremse« im Gesetz eine klare Befristung. Nach § 28 b Abs.10 IfSG-E gelten sämtliche Maßnahmen der »Notbremse« für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021.

Mehrere Forderungen des Freistaates wurden im parlamentarischen Verfahren im Bundestag umgesetzt. Hierzu gehören u.a. die klare Befristung der Maßnahmen, die Aufrechterhaltung von Click & Collect Angeboten und zahlreiche Klarstellungen im Gesetz.

zurück zum Seitenanfang