1009. Bundesratssitzung vom 8. Oktober 2021
Wichtigste Themen: Wahl Präsidium + Wahl Ausschussvorsitzende + Kommissionsbericht Rechtsstaatlichkeit + Nachhaltigkeitsberichterstattung + Regelsätze Sozialleistungen + Gesunde Ernährung + Bußgeldkatalog
Zur vollständigen Tagesordnung einschließlich aller Drucksachen, Beschlüsse usw. dieser Bundesratsplenarsitzung:
Hier finden Sie das Abstimmungsverhalten des Freistaates Sachsen und die Abstimmungsergebnisse aus der 1009. Sitzung des Bundesrates.
Der Bundesrat hat turnusgemäß ein neues Präsidium gewählt.
Bodo Ramelow, Thüringer Ministerpräsident, wird neuer Präsident des Bundesrates. Er löst am 1. November 2021 Dr. Reiner Haseloff ab, der im kommenden Jahr als erster Vizepräsident weiterhin Teil des Präsidiums bleibt. Zweiter Vizepräsident wird Dr. Peter Tschentscher, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.
Die Wahl erfolgt nach einer festgelegten Reihenfolge, die durch die Einwohnerzahl der Länder bestimmt wird. Der Turnus beginnt stets mit dem Regierungschef oder der Regierungschefin des Landes mit den meisten Einwohnern.
So sieht es eine Vereinbarung vor, auf die sich die Ministerpräsidenten 1950 in Königstein/Taunus verständigt haben. Diese Regelung hat den Vorteil, dass die Besetzung des Amtes nicht wechselnden Mehrheitsverhältnissen und parteipolitischen Erwägungen unterworfen ist. Außerdem wahrt sie den Grundsatz der Gleichrangigkeit aller Länder, da jedes Land unabhängig von seiner Größe den Vorsitz im Bundesrat turnusmäßig übernimmt.
Auch für die Wahl der beiden Vizepräsidenten gibt es eine feste Regel: Zum Ersten Vizepräsidenten wird der Präsident des Vorjahres und zum Zweiten Vizepräsidenten der designierte Präsident des nachfolgenden Geschäftsjahres gewählt. Die Vizepräsidenten vertreten den Bundesratspräsidenten, wenn dieser verhindert ist.
Die Hauptaufgaben des Präsidenten sind weniger politischer als eher repräsentativer Natur. Er lädt zu den Plenarsitzungen des Bundesrates ein, leitet diese und notifiziert die Plenarbeschlüsse. Außerdem vertritt er den Bundesrat bei protokollarischen Terminen im In- und Ausland. Im Rahmen der parlamentarischen Diplomatie empfängt er hochrangige internationale Delegationen im Bundesrat, insbesondere die Präsidentinnen und Präsidenten zweiter Parlamentskammern.
Daneben weist das Grundgesetz (GG) dem Präsidenten eine besondere Aufgabe zu: Er hat laut Artikel 57 GG die Befugnisse des Bundespräsidenten wahrzunehmen, wenn dieser verhindert oder vorzeitig aus dem Amt geschieden ist.
Zu den Aufgaben des Präsidiums gehört unter anderem die jährliche Aufstellung des Haushaltsplanes des Bundesrates sowie die Entscheidung wichtiger interner Angelegenheiten des Hauses.
Der Bundesrat hat den Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer erneut zum Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten gewählt. Der Ausschuss befasst sich mit der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten. In den Sitzungen des Ausschusses erstattet der Außenminister den Ministerpräsidenten Bericht über außenpolitische Schwerpunkte der Bundesregierung.
Da die Länder traditionell ihre Regierungschefs in den Auswärtigen Ausschuss entsenden, gehört dieser zu den beiden »Politischen Ausschüssen« des Bundesrates. Eine weitere Besonderheit liegt darin, dass der Ausschuss nicht regelmäßig, sondern nur aus wichtigem Anlass zu einer »politischen Sitzung« zusammentritt. Daneben erfolgt die notwendige Beteiligung des Ausschusses durch Umfrageverfahren unter den Ausschussmitgliedern.
Der Bundesrat hat zum von der EU-Kommission vorgelegten »Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union« Stellung genommen. Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme unterstützt.
Die Kommission hatte den Bericht am 20. Juli 2021 vorgestellt. Dieser stellt einen wesentlichen Baustein des jährlichen Mechanismus zur Förderung der Rechtsstaatlichkeit dar. Der Bericht wurde nach 2020 nun zum zweiten Mal vorgelegt. Er unterteilt sich in die vier Themenabschnitte Justizwesen, Korruptionsbekämpfung, Medienpluralismus und -freiheit sowie Kontrolle und Gegenkontrolle. Beispielhaft werden einige wichtige gemeinsame Themen und Trends, spezifische Herausforderungen und positive Entwicklungen dargelegt.
Dem Bericht sind 27 Länderkapitel beigefügt, in denen die spezifischen nationalen Bewertungen dargestellt werden. Die Kommission kommt zu dem Fazit, dass es viele positive Entwicklungen in den Mitgliedstaaten gibt, insbesondere dort, wo im Vorjahresbericht Herausforderungen festgestellt worden waren. In Bezug auf bestimmte Mitgliedstaaten greift die Kommission bestehende Bedenken wieder auf, die sich mittlerweile in Teilen verstärkt haben. Diese betreffen insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz und die Situation des Mediensektors.
Der Ausschuss für EU-Angelegenheiten hatte dem Bundesrat hierfür eine Stellungnahme vorgeschlagen, die der Freistaat Sachsen in Teilen unterstützt hat. Diese begrüßt das Anliegen des von der Kommission vorgelegten zweiten Berichts, die Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten der EU zu stärken und Probleme zu identifizieren. Der Bundesrat wertet es als Zeichen der Effektivität dieses Instruments, dass der erste Rechtsstaatlichkeitsbericht in mehreren europäischen Mitgliedstaaten zu innenpolitischen Debatten und teilweise auch zu konkreten Reformschritten beigetragen hat.
- Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit 2021 – Die Lage der Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union
- Rede von Staatsministerin Katja Meier
- Pressemeldung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung
Der Bundesrat hat zu einem Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen eine Stellungnahme beschlossen. Der Freistaat Sachsen hat Teile dieser Stellungnahme unterstützt.
Der Richtlinienvorschlag soll sicherstellen, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen verbessert wird. Die Berichte der Unternehmen sollen relevante, vergleichbare, verlässliche sowie leicht zugängliche und nutzbare Informationen enthalten. Auch sollen unnötige Kosten für die Ersteller der Berichte vermieden werden. Investoren sollen so die Nachhaltigkeitsrisiken und -auswirkungen ihrer Investitionen besser bewerten können. So können private Finanzmittel besser in Richtung nachhaltiger Aktivitäten gelenkt werden.
Darüber hinaus soll sichergestellt werden, dass die Berichtspflichten für Unternehmen mit der Taxonomie übereinstimmen. Dies soll vor allem durch die vorgeschlagenen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung erreicht werden. Der Vorschlag umfasst einige Neuerungen, wie die Ausweitung des Anwendungsbereichs der Berichtspflichten auf weitere Unternehmen, einschließlich aller großen Unternehmen und börsennotierten Unternehmen (mit Ausnahme von börsennotierten Kleinstunternehmen). Des Weiteren regelt er detailliertere Angaben zu den von den Unternehmen bereitzustellenden Informationen und das Erfordernis der Berichterstattung im Einklang mit den verbindlich vorgeschriebenen EU-weiten Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Darüber hinaus sollen alle Informationen im Rahmen der Lageberichte der Unternehmen und in einem digitalen, maschinenlesbaren Format veröffentlicht werden.
Der Freistaat Sachsen hat Teile der Stellungnahme des Bundesrates unterstützt, die sich insbesondere gegen eine unverhältnismäßige Bürokratiebelastung von KMU und kleineren Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern wenden.
Die Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende und in der Sozialhilfe (»Hartz IV«) werden zum 1. Januar 2022 angehoben. Der entsprechenden Verordnung der Bundesregierung hat der Bundesrat mit der Unterstützung Sachsens zugestimmt.
Die letzte Neuermittlung der Regelbedarfsstufen durch Gesetz war zum 1. Januar 2021 auf der Grundlage von Sonderauswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 vorgenommen worden. Nach § 28a Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ist in Jahren, für die keine Neuermittlung von Regelbedarfen mittels gesetzlicher Festlegung erfolgt, eine Fortschreibung der Regelbedarfsstufen mittels Verordnung vorzunehmen.
Grundlage der Fortschreibung für das kommende Jahr sind die Bedarfssätze aus dem laufenden Jahr. Das Statistische Bundesamt errechnet die sogenannte Fortschreibung der Regelbedarfe jährlich anhand eines Mischindexes. Er setzt sich zu 70 Prozent aus der Preisentwicklung und zu 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung zusammen.
Daraus errechnen sich die neuen Regelbedarfsstufen (gerundet, Beträge in Euro):
Stufe 1 | Stufe 2 | Stufe 3 | Stufe 4 | Stufe 5 | Stufe 6 | |
---|---|---|---|---|---|---|
ab 2022 | 449,- | 404,- | 360,- | 376,- | 311,- | 285,- |
bislang | 446,- | 401,- | 357,- | 373,- | 309,- | 283,- |
Darüber hinaus sind nach § 34 Absatz 3a SGB XII die Bedarfe für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf für die beiden im Kalenderjahr 2022 beginnenden Schulhalbjahre fortzuschreiben (Beträge in Euro):
Teilbetrag für das im jeweiligen Kalenderjahr beginnende | ||
---|---|---|
1.Schulhalbjahr | 2.Schulhalbjahr | |
ab 2022 | 104,- | 52,- |
bislang | 102,- | 51,- |
Der Bundesrat hat der Verordnung zur Änderung der Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogramm-Teilnahmeverordnung mit den Stimmen Sachsens zugestimmt und eine begleitende Entschließung gefasst. Die Entschließung geht auf einen sächsischen Antrag im Agrarausschuss des Bundesrates zurück.
Die Europäische Union fördert mit dem EU-Schulprogramm die gesunde Ernährung in Bildungseinrichtungen für Kinder. Ziel des EU-Schulprogramms ist es, durch ein regelmäßiges Angebot in Kinderkrippen und Kindergärten sowie Grund- und Förderschulen den Verzehr und die Akzeptanz von Obst, Gemüse und Milch bei Kindern zu erhöhen. Mit einer kostenlosen Bereitstellung von Obst, Gemüse und Milch soll Kindern gesunde Ernährung vermittelt werden.
Auf europäischer Ebene wurden Veränderungen in der bisherigen Ausgestaltung des EU-Schulprogramms vorgenommen, die eine Anpassung einiger Formulierungen der Landwirtschaftserzeugnisse-Schulprogramm-Teilnahmeverordnung in Deutschland erfordern.
In einer Entschließung bittet der Bundesrat die Bundesregierung den Charakter des Schulprogramms zu erweitern. Die Ernährungsbildung von Kindern und Jugendlichen sowie eine gesunde Ernährung in Kitas und Schulen soll so verstärkt gefördert werden. Für das bestehende Schulprogramm wird zudem eine Erweiterung des Angebots – bisher Obst, Gemüse und Milch – um pflanzliche Drinks erbeten, die idealerweise regional hergestellt werden. Der regionale Anbau u.a. von Hafer könnte hierdurch begünstigt werden. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich hierfür auf EU-Ebene einzusetzen. Hierzu bedarf es einer Anpassung des Katalogs in Anhang I gemäß Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 um pflanzliche Drinks. In dem Katalog sind die Produkte aufgeführt, welche im Schulmilchprogramm ausgegeben werden.
Der Bundesrat hat der Änderungsverordnung zur Bußgeldkatalog-Verordnung mit breiter Mehrheit zugestimmt. Zudem hat er eine Entschließung gefasst, mit welcher die Bundesregierung gebeten wird, eine Erhöhung der Verwarnungsgrenze für Verkehrsordnungswidrigkeiten zu prüfen. Ferner bittet der Bundesrat um eine Anhebung der Gebühr für den Kostenbescheid bei Halt- und Parkverstößen, wenn der Fahrer nicht zu ermitteln ist, damit die Verwarnungsgelder weiterhin ihre Wirkung erzielen können. Sachsen hat sowohl die Verordnung als auch die Entschließung unterstützt.
Mit der vorliegenden Verordnung werden die Regelungen der 54. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 20. April 2020 bestätigt. Diese sah bereits die Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung vor. Weiterhin werden die Geldbußen für Geschwindigkeitsverstöße – nunmehr ohne eine zusätzliche Verschärfung der Fahrverbote – neu geregelt.
Die Neufassung ist erforderlich, weil in der Eingangsformel der damaligen Verordnung die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für Fahrverbote nicht genannt wurde. Wegen dieses Zitierfehlers gehen Bund und Länder von einer Teilnichtigkeit der ursprünglichen Verordnung aus. Seitens der Länder ist der Vollzug der Bußgeldkatalog-Verordnung in der Fassung vom 20. April 2020 deshalb ausgesetzt. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es geboten, die betroffenen Vorschriften der Bußgeldkatalog-Verordnung entsprechend dem in der Verkehrsministerkonferenz am 15./16. April 2021 gefundenen Kompromiss zur Änderung des Bußgeldkatalogs erneut zu erlassen.
Mit der Änderung des Bußgeldkatalogs sollen Verkehrsverstöße angemessen sanktioniert werden, um dadurch die Sicherheit insbesondere für den Rad- und Fußverkehr zu erhöhen. Statt der damals beschlossenen Fahrverbote für bestimmte Geschwindigkeitsverstöße sind nunmehr höhere Geldbußen vorgesehen.
Teurer werden insbesondere die Geldbußen für unzulässiges Halten in zweiter Reihe und auf Schutzstreifen für den Radverkehr; ebenso das Parken auf Geh- und Radwegen. Künftig können bis zu 110 Euro Strafe anfallen. Das unerlaubte Nutzen sowie Nichtbilden einer Rettungsgasse wird mit einem Bußgeld zwischen 200 und 320 Euro sowie einem Monat Fahrverbot geahndet. Auch Parken ohne Parkschein, Zweite-Reihe-Parken, Parken an unübersichtlichen Kurven und auf Carsharing-Plätzen, vor Feuerwehrzufahrten sowie das Behindern von Rettungsfahrzeugen wird künftig höher sanktioniert.
Die Verordnung soll rund drei Wochen nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.